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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0028
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28

Martin Dibelius:

bauer1, Haller2 und Heussi3 verneint, von Krüger4 und Lietz-
mann5 trotz aller Bedenken bejaht worden. Die Bestreiter des
römischen Aufenthalts haben besonders die Dürftigkeit des Petrus-
Abschnitts im I. Klemensbrief hervorgehoben: offenbar wisse der
Verfasser von Paulus etwas kraft lokaler Tradition ; von Petrus da-
gegen wisse er fast nichts, weil diese Überlieferung fehle. Von dem
neuen Verständnis des Abschnitts aus getraue ich mir diese be-
fremdliche Leere des Petrus-Abschnitts zu erklären.
Man muß dabei allerdings voraussetzen, daß Petrus in Rom
nicht etwa eine umfangreichere Missionstätigkeit entfaltet hat. Das
aber ist ohnehin anzunehmen. Petrus wußte sich als Apostel des
Judentums (Gal. 2, 9); mit Paulus hat er nie konkurriert. Nach
Rom ist er entweder wie später Ignatius schon als Gefangener
gekommen oder er ist aus einem uns unbekannten Grund dahin
gereist.6 und dann bald von der allgemeinen Verfolgung unter Nero
betroffen worden. Man muß sich weiter klar machen, daß Klemens
ja auch in dem Paulus-Abschnitt nicht erzählen, sondern bekannte
Dinge in die ihm richtig scheinende Beleuchtung — eben die des
philosophischen Agons — rücken will. Wir können nun sagen,
warum er dies tut: er will eine Kennzeichnung des staatlichen
Gegenspielers vermeiden und nur πόνοι und έργα von Paulus er-
zählen. Solche πόνοι und έργα waren aber von Petrus nicht zu
berichten. Er war eben nicht ein κήρυξ, ein είσαγωγεύς της δικαιο-
σύνης in Ost nnd West gewesen. Im Westen hatte er vielleicht über-
haupt nicht missioniert; für den Osten stand die Apostelgeschichte
dem Verfasser des I. Klemensbriefes noch nicht zur Verfügung -
und auch aus ihr hätte er zwar Gefangenschaft und Flucht, aber
nicht den philosophischen Agon eines ganzen Lebens entnehmen
können. So begnügte er sich mit der mehr rhetorischen7 als inhalt-
1 H. Dannenbai er, Die römische Petruslegende, Hist. Zeitschrift 146,
1932, 239—262.
2 J. Haller, Das Papsttum, I (1934), 8—20, 443—451.
3 K. Heussi, War Petrus in Rom? 1936 und Christi. Welt 1937, 161 ff.
4 G. Krüger, Petrus in Rom, ZNW 31, 1932, 301—306.
0 II. Lietzmann, Petrus römischer Märtyrer, SBA 1936, 392—410.
6 Die Meinung, daß Petrus in Korinth gewirkt habe und vor Paulus
nach Rom gekommen sei (En. Meyer, Ursprung und Anfänge des Christen-
tums 111 441, 49811'.; Lietzmann, SBA 1930, 154ff.) wird meines Erachtens
durch den I. Korintherbrief ausgeschlossen; dann würde Petrus dort 4, 6
neben Apollos genannt sein.
7 Vgl. den Brief der Christen in Gallien nach Kleinasien bei Euseb, Hist,
eccl. λ 22 ού/ άπαξ ούδέ δίς άλλα πολλάκις μαρτυρήσαντες.
 
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