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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0048
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Martin Dibelius:

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des Tieres anfertigen; wer ihm die Anbetung versagt, wird hin-
gerichtet. Wer es aber anbetet, der erhält einen Stempel auf Hand
oder Stirn, und erst der so Gezeichnete hat das Recht, zu kaufen
oder zu verkaufen. Man sieht, die Darstellung dieses Tieres gibt
die mythische Einkleidung bald auf —- und behandelt sehr reale
Dinge. Dementsprechend wird dieses dritte Ungeheuer weiterhin
auch gar nicht mehr als Tier geschildert, sondern erscheint neben
Drache und Tier als falscher Prophet (16, 13; 19, 20; 20, 10). Es
ist der Prophet des Kaiserkults; er wird hier eingeführt entweder
auf Grund alter apokalyptischer Tradition, die neben den Pseudo-
messias den Pseudopropheten stellt — oder weil die größte Gefahr,
die der Seher über die Christenheit kommen sieht, nun auch in
einer dämonischen Gestalt abgebildet werden soll — oder endlich,
weil der Verfasser einen bestimmten Mann kennzeichnen will1 *. Die
drei eingangs erwähnten Möglichkeiten für das Verständnis der
Apokalypse kommen also für die Deutung dieser Stelle alle drei
ernsthaft in Frage. Aber die Diskussion dieser Probleme ist für
unser Thema unerheblich; wichtig dagegen ist es, daß in Zukunft
auch die Märtyrer nach ihrer Stellung zu dem Kult des Tieres
gekennzeichnet werden. Denn nicht anders ist es gemeint, wenn
es 14, 12 — nach der Schilderung dur Strafe für die Anbeter des
Tieres und seines Bildes — heißt: „Hie gilt das Ausharren der
Heiligen, die die Gebote Gottes und den Glauben Jesu bewahren“.
Darauf ertönt dann die Seligpreisung derer, die von nun an in dem
Herrn sterben — auch hierbei ist in erster Linie an die Märtyrer
gedacht. Sie sind es auch, die 15, 2 im Himmel auf dem kristallenen
Meer stehen, die „Überwinder im Kampf mit dem Tier und seinem

1 Die Lösung dieses Problems hängt von allerlei Einzelfragen ab. Ich
möchte nur betonen, daß das Ganze auf Traditionen beruhen und trotzdem
gegenwärtige Beziehungen enthalten kann. Aus 13, 11 hat man auf einen
abgefallenen Christen geschlossen, weil das Tier wie ein Lamm aussieht und
wie ein Drache redet (K. Möller, Kirchengeschichte 1 l3, S. 137 A. 1); aus
13, 12 auf einen Statthalter: ,,er übt alle Macht des ersten Tieres vor ihm aus“
(J. Weiss, Gött. Bibelwerk). Schließlich hängt die Lösung auch von dem
Verständnis der Zahl 666 ab. λΓοη allen Deutungen schiene mir Λατεΐνος
(Irenaeus V 30, 3) als Deckname lür Rom (Dornseift, Forsch, u. Fortschr.
1936, 369) die beste zu sein; ich halte aber für noch wahrscheinlicher, daß der
Verfasser eine „geoffenbarte“ Zahl weitergeben will, ohne selbst eine Deutung
zu vertreten. Die Christen, die es erleben, werden die Deutung schon finden!
Auch auf diese Weise kann traditionsgeschichtliches Verständnis mit aktueller
Beziehung zusammengedacht werden.
 
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