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Dibelius, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 2. Abhandlung): Rom und die Christen im ersten Jahrhundert — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42027#0054
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54 Martin Dibelius: Rom und die Christen im ersten Jahrhundert
zutage; sie geht aber auf jüdische Traditionen zurück und ist viel-
leicht auch von stoischen Gedanken nicht ganz frei (vgl. S. 8).
Aber mit dieser Überlieferung verbindet sich das „apokalyptische“
Bewußtsein, in den letzten Zeiten zu leben; es macht die Obrig-
keiten, den Steuer fordernden Cäsar wie seine Statthalter, die den
Kaiserkult verlangen, zu vorübergehenden Größen; es stärkt die
verfolgten Christen mit dem Trost, daß gerade ihr Leiden ein Zei-
chen der beginnenden Weltverwandlung sei.
Je mehr diese apokalyptische Stimmung abnahm, desto stär-
ker wurde die alte Gehorsamspflicht betont. Ihren besonderen Aus-
druck fand sie in dem Gebet für die Obrigkeit, wie es seit dem
1. Klemensbrief bezeugt ist1. Und wenn die Verfolgungen der
Christen nicht mehr als Zeichen der Weltkrise verstanden wurden,
so galten sie doch als Zeichen des Kampfes, der dem Christen auf
Erden auferlegt ist — sei es, daß man dabei an die Kämpfe im
Stadion dachte (S. 20ff.) oder an die militia Christi2.
Die Problematik, die sich an die Beziehungen der Kirche zu
einem ihr feindlichen Staat knüpfte, erledigte sich, als sich der
Staat die Kirche im 4. Jahrhundert verband. Nun erwuchs bei-
den Partnern ein neuer Fragenkomplex daraus, daß die Kirche in
einem christlich gewordenen Staat stand. Nun wandelte sich der
ironische Parallelismus des Wortes Jesu in eine echte Parallelität;
denn nun stand neben den Pflichten gegen die Kirche die Verpflich-
tung gegen den christlichen Staat.
1 Auch dies entspricht einer alten Tradition: Jer. 29, 7; Philo, ln FJac-
cum 49. Im Urchristentum vgl. außer I. Klein. 61: 1. Tim. 2, 2; Polykarp
ad Phil. 12, 3; Justin Apol. I 17, 3; Theophilus, Ad Autolycum 111; Ter-
tullian, Apolog. 30. 39.
2 Vgl Eph. 6, 10ff., I. Tim. 1,18 (dazu meinen Kommentar), II. Tim.
2, 3 und Harnack, Militia Christi, 93ff.
 
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