46 G. Hölscher: Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung
der Riesen kennen wir auch aus phönikischer Tradition1, und auch
bei den Phönikern erzählte man von einer Einwanderung der Vor-
fahren vom erythräischen Meere, d. h. aus Babylonien2. Die Ge-
stalt des Weinbauers Noah gehört in das Weinland Syrien. Die
Sage vom Turmbau ist nicht babylonischen Ursprungs, sondern bei
Fremden entstanden, die staunend von jener fabelhaften, durch die
Gottheit zerstörten Ruine berichteten. Auch die Kainitengenea-
logie entstammt nicht dem Nomadentum, sondern, wie die Namen
Tubal und Na‘ama zeigen3, dem kanaanäischen Kulturbereiche.
Überall blickt in diesen Sagen auch der polytheistische Hintergrund
durch, nicht nur in dem gelegentlichen Plural der Selbstrede der
Gottheit Gen 322 11?, sondern vor allem in Erzählungen, wie der
Turmbausage, hinter der ein Mythus von himmelstürmenden Tita-
nen steckt, oder in der Sage von den Göttersöhnen und den Riesen,
die eine Genealogie der Götter und Heroen, also ursprünglich auch
eine Theogonie voraussetzt.
Mythischen Ursprungs sind gleicherweise die vornehmsten Ge-
stalten der Vätersage. Sie durchweg als Ahnen von Völkern, Stäm-
men und Geschlechtern zu deuten, erweist sich als unmöglich.
Natürlich gibt es in den hebräischen Sagen eine große Zahl rein
eponymer Figuren, wie Kanaan, Kaleb, ‘Otniel, Kain, Ismael, Ha-
gar4, Sehr; dasselbe gilt von den Söhnen Jakobs, Esaus, Ismaels,
Lots, Nachors, die nichts anderes als Namen von Stämmen dar-
stellen. Dagegen sind die diesen Stämmen und Völkern als Ahnen
übergeordneten Gestalten nicht eponymer Art, bedürfen also anderer
Erklärung. Es handelt sich um Terach und Seine drei Söhne samt
deren Frauen und Töchtern: Abraham und Sara, Nachor und Milka,
1 Philo von Byblos bei Euseb., pr. ev. I 10 ed. Gaisford (vgl. das Zitat
weiter unten). Bemerkenswert, daß auch Sanchuniathon sagt, daß die zweite
Generation sterblich wird.
2 Herodot I 1, VII 89 vgl. Strabo XVI 3, 4. 27; auch der Gründer von
Asdod soll von dort gekommen sein (Steph. Byz. s. v. ”A'C.oi-oc,).
3 Tubal ist das durch seine Schmiedekünste berühmte kleinasiatische
Volk (Ez 2713). Im Text heißt er Tubal-Ivain zur Unterscheidung des Kainiten
von dem kleinasiatischen Volk. .Warna, die Vertreterin der Dirnenkaste (Ed.
Meyer, Israeliten 218), führt den Namen einer phönikischen Göttin, vgl.
Movers, Phön. I 636ff.; Baethgen, Beiträge 150. 152; Mordtmann ZDMG
XXXI 86. Das Paar Tubal und Na‘ama erinnern nach Dillmann an Hephai-
stos und Aphrodite. Der Name Jubal „Widderhorn“ hat seine Parallele in
dem phönikischen Kivvüpa?, hebr. kinnör.
4 Vgl. dazu H. Winckler, MVAG 1898, H. I, S. 51; Ed. Meyer, Israe-
liten, S. 328; H. Gunkel, Genesis 19103, S. 191.
der Riesen kennen wir auch aus phönikischer Tradition1, und auch
bei den Phönikern erzählte man von einer Einwanderung der Vor-
fahren vom erythräischen Meere, d. h. aus Babylonien2. Die Ge-
stalt des Weinbauers Noah gehört in das Weinland Syrien. Die
Sage vom Turmbau ist nicht babylonischen Ursprungs, sondern bei
Fremden entstanden, die staunend von jener fabelhaften, durch die
Gottheit zerstörten Ruine berichteten. Auch die Kainitengenea-
logie entstammt nicht dem Nomadentum, sondern, wie die Namen
Tubal und Na‘ama zeigen3, dem kanaanäischen Kulturbereiche.
Überall blickt in diesen Sagen auch der polytheistische Hintergrund
durch, nicht nur in dem gelegentlichen Plural der Selbstrede der
Gottheit Gen 322 11?, sondern vor allem in Erzählungen, wie der
Turmbausage, hinter der ein Mythus von himmelstürmenden Tita-
nen steckt, oder in der Sage von den Göttersöhnen und den Riesen,
die eine Genealogie der Götter und Heroen, also ursprünglich auch
eine Theogonie voraussetzt.
Mythischen Ursprungs sind gleicherweise die vornehmsten Ge-
stalten der Vätersage. Sie durchweg als Ahnen von Völkern, Stäm-
men und Geschlechtern zu deuten, erweist sich als unmöglich.
Natürlich gibt es in den hebräischen Sagen eine große Zahl rein
eponymer Figuren, wie Kanaan, Kaleb, ‘Otniel, Kain, Ismael, Ha-
gar4, Sehr; dasselbe gilt von den Söhnen Jakobs, Esaus, Ismaels,
Lots, Nachors, die nichts anderes als Namen von Stämmen dar-
stellen. Dagegen sind die diesen Stämmen und Völkern als Ahnen
übergeordneten Gestalten nicht eponymer Art, bedürfen also anderer
Erklärung. Es handelt sich um Terach und Seine drei Söhne samt
deren Frauen und Töchtern: Abraham und Sara, Nachor und Milka,
1 Philo von Byblos bei Euseb., pr. ev. I 10 ed. Gaisford (vgl. das Zitat
weiter unten). Bemerkenswert, daß auch Sanchuniathon sagt, daß die zweite
Generation sterblich wird.
2 Herodot I 1, VII 89 vgl. Strabo XVI 3, 4. 27; auch der Gründer von
Asdod soll von dort gekommen sein (Steph. Byz. s. v. ”A'C.oi-oc,).
3 Tubal ist das durch seine Schmiedekünste berühmte kleinasiatische
Volk (Ez 2713). Im Text heißt er Tubal-Ivain zur Unterscheidung des Kainiten
von dem kleinasiatischen Volk. .Warna, die Vertreterin der Dirnenkaste (Ed.
Meyer, Israeliten 218), führt den Namen einer phönikischen Göttin, vgl.
Movers, Phön. I 636ff.; Baethgen, Beiträge 150. 152; Mordtmann ZDMG
XXXI 86. Das Paar Tubal und Na‘ama erinnern nach Dillmann an Hephai-
stos und Aphrodite. Der Name Jubal „Widderhorn“ hat seine Parallele in
dem phönikischen Kivvüpa?, hebr. kinnör.
4 Vgl. dazu H. Winckler, MVAG 1898, H. I, S. 51; Ed. Meyer, Israe-
liten, S. 328; H. Gunkel, Genesis 19103, S. 191.