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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0055
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Stoff und Gestaltung

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stätte geworden war, ist der Heros zum Ahnen auch der israeliti-
schen Bevölkerung geworden1.
Durch die Lokalisierung an bestimmten Örtlichkeiten verbindet
sich die Heroensage mit der Orts- und Ahnensage. Im Unterschied
von Mythus und Märchen bezieht sich diese auf gegebene Wirk-
lichkeiten, Orte, Stämme oder Einrichtungen. Im übrigen ist auch
ihr Stoff Dichtung, doch dient diese nicht mehr nur der Unter-
haltung und Ergötzung, sondern zugleich einer Befriedigung des
Wissenstriebes, der nach dem Ursprung der Dinge fragt, wenn-
gleich die Antworten, die diese „ätiologischen“ Sagen geben, noch
immer ganz dichterisch-mythologischer Art sind. Eine Beihe sol-
cher Ortssagen finden sich in dem Werke des J. Dahin gehört die
Sodomsage Gen 19, die — eine Variation des verbreiteten Motivs
der untergegangenen Stadt2 — die Entstehung der Wüste am Süd-
westufer des Toten Meeres erklären will; weiterhin die Sage vom
Manna Ex I64 14-15, welches gedeutet wird als das Himmelsbrot,
das Jahve den Israeliten in der Wüste regnen ließ. Der Bergrücken
Lechi „Kinnbacken“ ist nach der Sage jener Eselskinnbacken, mit
dem der Riese Simson tausend Philister totschlug3, und die an
1 So ist Rachel, die Heroine von Efrat an der Grenze von Efraim und
Benjamin (1. Sam 102), zur Mutter Josefs und Benjamins geworden. Ähnlich
mag es mit Lot, dem Vater von Moab und Ben-‘ammi (Gen 1930 _38) liegen.
Umgekehrt ist der Eponymus des Geschlechtes Manoach zum Vater Simsons
geworden (Jud 13). Dagegen ist das System des Ahnenstammbaums, wie es
J überliefert, erst durch die gelehrte Genealogie geschaffen worden.
2 Gunkel (Genesis3 S. 215f.) meint, die Sage wolle die Entstehung des
Toten Meeres erklären, sie rede aber von Feuer und Erdbeben (Vulkanaus-
bruch) statt von Wasser und sei deshalb hier nicht bodenständig, sondern
eine von anderswoher übertragene Wandersage. Aber von Erdbeben (häfak
heißt „zerstören“ 2. Sam 103) oder gar von Vulkanausbruch ist hier nicht
die Rede, auch nicht von Entstehung des Toten Meeres. Es handelt sich um
die öde und heiße Felsenwüste bei dschebel usdum, wo auch Josephus (bell,
iud. IV 483—485), dem See benachbart, die SoSogmt; (vuv xsxaugevr] Tcaaoc)
sucht; außer Sodom wird der ganze Gau, der einst ein Gottesgarten war,
mit all seinem Pflanzenwuchs verbrannt (Gen 1925 28 1310). Von einer Ent-
stehung des Toten Meeres durch die Katastrophe spricht erst die späte Legende
Gen 143 und nach ihr Josephus. Das Vorkommen von Schwefel am Toten
Meere bezeugt Ed. Robinson (Palästina II 454f.); die Zerstörung durch
Schwefel und Feuer Gen 1924 (durch Schwefel, Salz und Brand Dt 2 9 23) ent-
spricht also der geologischen Natur der Gegend.
3 Berge werden seit alters mit Riesen zusammengebracht, so schon die
Berge Kasion, Libanos, Antilibanos, Tabor in der phönikischen Sage (s. ob.).
Dahin gehört auch der Gott Karmel (Tacitus, hist. 2, 78), weiterhin auch die
aus Landschaftsnamen entstandenen Gestalten des Sichon (dschebel slhän),
‘Eglon (‘adschlün) und Balak (belqä).
 
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