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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0057
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Stoff und Gestaltung

57

liegt eine lange Geschichte mündlicher Tradition. Wo es sich um
Überlieferung einzelner ätiologischer Geschichten handelt, denken
die hebräischen Erzähler sich diese ; um Teil ganz harmlos als
Belehrung der Söhne durch den Vater1. Die ausgebildete Kunst-
form der Erzählung ist schwerlich als bloße Schöpfung des Volkes
zu verstehen, sondern weist auf mehr oder minder berufsmäßige
Geschichtenerzähler, wie es solche im Orient seit alters gegeben
haben wird2. Ursprüngliche Form ist überall die Einzelerzählung;
doch haben sich vielfach verwandte Erzählungen gegenseitig an-
gezogen3 oder mehrere Erzählungen über denselben Helden zu
Sagenkränzen zusammengefügt4. Die Art dieses Zusammenschlusses
ist gern die der Rahmenerzählung, wie sie aus 1001 Nacht u. a.
bekannt ist5. Die älteren Sagen sind durchweg von sehr kurzem
Umfang, knapp im Ausdruck, ohne Schilderung äußerer Neben-
umstände, ohne längere Reden oder Beschreibung seelischer Vor-
gänge, sehr einfach in der Zahl und Charakteristik der Personen
und ganz auf die Handlung konzentriert, diese aber folgerichtig und
innerlich wahrscheinlich6. Wesentlich ist durchweg der Schluß, der

1 Dt 620_25 Ex f226j-. 13g 14f. Jos 46j. 2i-
2 Vgl. Gunkel, Genesis 19103, S. XXXI. Ed. Meyer (Forschungen II
236) spricht von den Märchen- und Geschichtenerzählern, wie sie bis auf den
heutigen Tag im Orient eine große Rolle spielen, „die für ihre altbekannten
und zum Teil seit Jahrhunderten in fester Form gestalteten Geschichten,
Schwänke, Romane und Märchen jeder Zeit aufs neue ein großes Publikum
finden“, und weist dazu auf Perser und Griechen hin. Zu ersteren vgl. auch
K. Reinhardt, Herodots Persergeschichten in: Geistige Überlieferungen, 1940;
zu letzteren B. Erdmannsdörffer, Das Zeitalter der Novelle in Hellas, 1870;
W. Aly, Volksmärchen, Sage und Novelle bei Herodot und seinen Zeitgenos-
sen, 1921. Bei den Israeliten haben wir direkte Nachrichten nur über einen
berufsmäßigen Sängerstand (vgl. K. Budde, Geschichte der althebräischen
Literatur, 1906, S. 9f.). Die Form der Erzählungen ist im allgemeinen schlichte
Prosa. Nur die mythischen Stoffe mögen in ältester vorisraelitischer Zeit in
dichterisch gebundener Form (als - Kultus-Lieder oder als rhapsodisch vor-
getragene Dichtungen) überliefert worden sein; aber für die dem J vorliegen-
den Überlieferungen trifft das schwerlich mehr zu (vgl. Gunkel, Genesis,
19033, S. XXVIIff. gegen Ed. Siev.ers, Metrische Studien II, Hebräische
Genesis 1904, 1905; O. Procksch, Genesis 1913).
3 So etwa die Sagen von Mamre und von Sodom oder die von Jakob-
Esau und Jakob-Laban.
4 So die Sagenkränze von Jakob-Esau, von Jakob-Laban, von Josef und
seinen Brüdern, von Josef in Ägypten, von Mose und dem Auszug aus Ägypten.
5 Vgl. auch Boccaccio, Lesage, Hauff u. a.
6 Vgl. die ausgezeichnete Charakteristik bei Gunkel, Genesis, 19033.
 
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