Stoff und Gestaltung
59
Vergangenheit. Die Traditionen werden geordnet und gesichtet,
die Helden der Sage genealogisch zueinander in Beziehung gesetzt,
die Widersprüche zwischen den Sagen ausgeglichen, eine Vorstufe
der gelehrten Arbeit. Die wichtigste Aufgabe ist die Aufstellung
von Stammbäumen, eine erste Form der Chronologie, die von den
Göttern über die Heroen zu den Eponymen der Stämme hinunter-
führt und zuletzt einmündet in die Ereignisse, mit denen die gegen-
wärtige geschichtliche Ordnung der Stämme und Völker beginnt.
Genealogische Arbeiten dieser Art setzt J bereits voraus. Seine
Stammbäume der Urzeit Gen 4i 17-24 920-27 und der Väterzeit
Gen II28-29 2220-24 2 5i—4 369—14 20-28 sind bereits gelehrte Erzeug-
nisse, die er zum Teil offenbar schon in schriftlicher Form vorfand1,
zum Teil vielleicht auch selber schuf. Die Eponymen der Urzeit
sind vielfach rein künstliche Erfindungen2, andere tragen wirk-
liche Namen von Stämmen und Geschlechtern3. In den Stamm-
bäumen der Vätersage werden die Eponymen der aramäischen,
ismaelitischen, edomitischen und choritischen Stämme von Nachor,
Ismael, Esau und Sehr abgeleitet und ihrerseits wieder an die
Heroen der Sage angeknüpft. In die Genealogien wird hier und da
anekdotisches Material eingefügt Gen 423-24 3624, gelegentlich auch
geschichtliches oder halbgeschichtliches Material, wie die Liste der
acht ältesten Könige von Edom Gen 3631—39.4 Auch hier wird J
schriftliche Vorlagen benutzt haben.
Aus geformter mündlicher Sagentradition und aus schriftlich
ihm vorliegenden genealogischen Arbeiten hat J sein Bild der
Sagenzeit entworfen. Das Ende der Sagenzeit fällt mit der Ent-
stehung der gegenwärtigen Welt, d. h. mit den Anfängen der Volks-
geschichte Israels zusammen. Beides ist für den Verfasser in glei-
cher Weise Geschichte. So spielen auch die sozialen und kultu-
rellen Verhältnisse der Gegenwart überall in seine Darstellung der
Sagenzeit hinein; denn andere Zustände und Lebensverhältnisse
1 Das ergibt sich daraus, daß er Namen nennt, von denen er in seiner
Erzählung keinen Gebrauch macht, vgl. Na‘ama Gen 422 oder Jiska Gen 1129.
2 Z. B.Chawwa „das Zelt“, Jubal „dasWidderhorn“, Sehern „der Name“.
3 Kain, Ghanok (in Midian Gen 254, in Rüben Gen 469), Tubal (Volk in
Kleinasien, durch Erzarbeiten berühmt Ez 2713), Kanaan.
4 Die beiden ersten Namen der Liste sind möglicherweise sagenhaft.
Bela‘ ben Be‘or ist identisch mit dem Seher Bil‘am ben Be‘or Num 22, und
Jobab ben Zerach vielleicht identisch mit Job, so bei Aristeas (nach Alexan-
der Polyhistor bei Euseb., pr. ev. IX 25), LXX lob 4217a_e und im apo-
kryphen Testament Iobs, vgl. dazu Ed. Meyer, Israeliten, S. 380f.
59
Vergangenheit. Die Traditionen werden geordnet und gesichtet,
die Helden der Sage genealogisch zueinander in Beziehung gesetzt,
die Widersprüche zwischen den Sagen ausgeglichen, eine Vorstufe
der gelehrten Arbeit. Die wichtigste Aufgabe ist die Aufstellung
von Stammbäumen, eine erste Form der Chronologie, die von den
Göttern über die Heroen zu den Eponymen der Stämme hinunter-
führt und zuletzt einmündet in die Ereignisse, mit denen die gegen-
wärtige geschichtliche Ordnung der Stämme und Völker beginnt.
Genealogische Arbeiten dieser Art setzt J bereits voraus. Seine
Stammbäume der Urzeit Gen 4i 17-24 920-27 und der Väterzeit
Gen II28-29 2220-24 2 5i—4 369—14 20-28 sind bereits gelehrte Erzeug-
nisse, die er zum Teil offenbar schon in schriftlicher Form vorfand1,
zum Teil vielleicht auch selber schuf. Die Eponymen der Urzeit
sind vielfach rein künstliche Erfindungen2, andere tragen wirk-
liche Namen von Stämmen und Geschlechtern3. In den Stamm-
bäumen der Vätersage werden die Eponymen der aramäischen,
ismaelitischen, edomitischen und choritischen Stämme von Nachor,
Ismael, Esau und Sehr abgeleitet und ihrerseits wieder an die
Heroen der Sage angeknüpft. In die Genealogien wird hier und da
anekdotisches Material eingefügt Gen 423-24 3624, gelegentlich auch
geschichtliches oder halbgeschichtliches Material, wie die Liste der
acht ältesten Könige von Edom Gen 3631—39.4 Auch hier wird J
schriftliche Vorlagen benutzt haben.
Aus geformter mündlicher Sagentradition und aus schriftlich
ihm vorliegenden genealogischen Arbeiten hat J sein Bild der
Sagenzeit entworfen. Das Ende der Sagenzeit fällt mit der Ent-
stehung der gegenwärtigen Welt, d. h. mit den Anfängen der Volks-
geschichte Israels zusammen. Beides ist für den Verfasser in glei-
cher Weise Geschichte. So spielen auch die sozialen und kultu-
rellen Verhältnisse der Gegenwart überall in seine Darstellung der
Sagenzeit hinein; denn andere Zustände und Lebensverhältnisse
1 Das ergibt sich daraus, daß er Namen nennt, von denen er in seiner
Erzählung keinen Gebrauch macht, vgl. Na‘ama Gen 422 oder Jiska Gen 1129.
2 Z. B.Chawwa „das Zelt“, Jubal „dasWidderhorn“, Sehern „der Name“.
3 Kain, Ghanok (in Midian Gen 254, in Rüben Gen 469), Tubal (Volk in
Kleinasien, durch Erzarbeiten berühmt Ez 2713), Kanaan.
4 Die beiden ersten Namen der Liste sind möglicherweise sagenhaft.
Bela‘ ben Be‘or ist identisch mit dem Seher Bil‘am ben Be‘or Num 22, und
Jobab ben Zerach vielleicht identisch mit Job, so bei Aristeas (nach Alexan-
der Polyhistor bei Euseb., pr. ev. IX 25), LXX lob 4217a_e und im apo-
kryphen Testament Iobs, vgl. dazu Ed. Meyer, Israeliten, S. 380f.