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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0063
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Stoff und Gestaltung

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Zweigen hervortreten und in schweren Tropfen zu Boden fallen.
Vor allem beweist er sein Interesse an „Forschung“ durch zahl-
reiche Erklärungen von Ortsnamen in Palästina1, ebenso wie er
auch vielfach ätiologische Bemerkungen über den Ursprung von
Bräuchen2 und Redensarten3 oder politischer Besitzverhältnisse
macht4.
Was J an wirklicher Kunde über die Zeit vor der Einwande-
rung in Kanaan besitzt, besteht nur in dürftigen Überresten münd-
licher Tradition; eine echte geschichtliche Überlieferung fehlt.
Diese setzt, wie überall erst ein, wo schriftliche Urkunden vor-
liegen5.
Daß die Vorfahren aus der Wüste eingewandert waren, ist den
Israeliten immer im Gedächtnis geblieben, aber wie sich die Ein-
wanderung vollzogen hatte, war schon in der frühen Königszeit
vergessen6. Von der Herrschaft der Ägypter über Palästina, die
bis in den Anfang des 12. Jahrhunderts bestanden hat, weiß die
Sage nichts mehr; sie läßt schon die Urväter des Volkes im Lande
wohnen, wo die eponymen Ahnen der Stämme und Geschlechter
von ihnen gezeugt und die Heiligtümer Israels von ihnen gegründet
werden; die Einwanderung der Urväter7 aber in das Land wird in
graue Vorzeit hinaufgerückt. Wie König Mescha‘ von Moab um
850 sagt, daß „der Mann von Gad seit der Urzeit in ‘Atarot wohnt“,
so fühlt sich Israel seit alters im Besitz des Landes.
Die geschichtlichen Nachrichten zeigen ein wesentlich anderes
Bild. Ein Israel als Gesamtvolk der zwölf Stämme entstand erst
seit der Eroberung Jerusalems durch David und der Bildung eines
großisraelitischen Reiches unter David und Salomo. Zur Zeit der
Debora im 12. Jahrhundert besteht Israel aus den zehn Nord-
stämmen und hat mit Juda nichts zu tun (Jud 5); seine Einwande-

1 Jud 117 1517 19 1812 1. Sam 2328 2. Sam 216 5 20 6 8 1 8lg 1. Reg 913; vgl.
dazu in der Sagengeschichte Gen 1614 2 633 3148 3 317 5 0n Ex 177 und die mehr-
fachen Entstehungssagen von Heiligtümern.
2 Ex 426 1. Sam 3025.
3 Gen 109 1. Sam 1012.
4 1. Sam 276.
5 Nur Vereinzeltes mag J aus derartigem Material geschöpft haben, wie
die Liste der Edomiterkönige Gen 3631_39 oder etwa die Notiz Num 1322, daß
Hebron 7 Jahre vor So‘an in Ägypten erbaut worden sei.
6 Vgl. hierzu und zum folgenden Ed. Meyer, Israeliten, S. 222ff.
7 Nach Gen 294 aus der östlichen Wüste der „Söhne des Ostens“ und
weiterhin aus Babylonien Gen 111_9.
 
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