Stoff und Gestaltung
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über die Eroberung des übrigen Westjordanlandes berichtet wird.
Wirkliche Tradition besitzt J auch hier nicht. Was er berichtet,
ist eine geographisch geordnete Rekonstruktion der Vorgänge auf
Grund der Siedlungsverhältnisse seiner eigenen Zeit. Er gruppiert
die Vorgänge in eine Eroberung des Südens unter der Führung
Judas und in eine solche des Nordens unter Führung des Hauses
Josefs, d. h. er setzt die Teilung des Reiches nach Salomos Tode
voraus. Er weiß von dem Nebeneinander von Jebusitern und Ju-
däern in Jerusalem, wie es nach der Resetzung der Stadt durch
David bestand; er weiß von den Kanaanitern in den großen Ort-
schaften des Nordreichs und ihrem Dienstverhältnis zu Israel. Zu
Juda rechnet er Kaleb in Hebron, ‘Otniel in Debir und die Söhne
des Keniters Chobab im äußersten Süden, während er Simeon dem
genealogischen Schema der Sage entsprechend als besonderen
Stamm, als „Bruder“ Judas betrachtet, der jedoch zusammen mit
Juda in den Krieg zieht, also politisch gleichfalls zu Juda gerechnet
wird1. Die Grenze Judas gegen Edom liegt an der Skorpionensteige
Jud I35. Ausgeschmückt wird diese schematische Darstellung durch
die Notiz von den Riesen zu Hebron Jud 110 und durch zwei Anek-
doten: von Adonisedek, dem König von Jerusalem, und von ‘Otniel
und seiner Tochter ‘Aksa; erstere ist eine verworrene historische
Erinnerung2, letztere will das Besitzrecht der Stadt Debir auf zwei
nach Hebron zu gelegene Brunnen begründen3. Die Erzählung von
der Eroberung Betels, mit der die Eroberungen des Hauses Josefs
ausgeschmückt werden, bringt eine blasse Wiederholung des Verrats-
motivs der Rachabsage, und die Notiz, daß der Bote Jahves vom
Gilgal nach Betel hinaufzog, wo man ihm opferte, gehört zum
allgemeinen Sagenbilde des Verfassers.
Das Konstruktive der ganzen Eroberungsgeschichte ist offen-
sichtlich. Wie ein Zug um das Tote Meer nicht möglich war, ohne
eine Unterwerfung Moabs, so eine Eroberung Südpalästinas nicht
ohne Einnahme Jerusalems, und eine Eroberung Galiläas nicht ohne
eine Bezwingung der Kanaaniterstädte in der Jizre‘elebene. Da eine
Eroberung Jerusalems nicht gut vor David erzählt werden konnte,
so begnügt sich der Darsteller mit der Annahme eines wirkungs-
1 Daß J von einer Verlosung der Stammesgebiete erzählt habe, ist aus
dem Ausdruck „Los“ Jud 13 nicht zu folgern.
2 Vgl. Jos ICü E und Malkisedek Gen 1418 Ps.
3 ‘Otniel Eponymus des Geschlechtes; ‘Aksa „Fußspange“ ein Frauen-
name.
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über die Eroberung des übrigen Westjordanlandes berichtet wird.
Wirkliche Tradition besitzt J auch hier nicht. Was er berichtet,
ist eine geographisch geordnete Rekonstruktion der Vorgänge auf
Grund der Siedlungsverhältnisse seiner eigenen Zeit. Er gruppiert
die Vorgänge in eine Eroberung des Südens unter der Führung
Judas und in eine solche des Nordens unter Führung des Hauses
Josefs, d. h. er setzt die Teilung des Reiches nach Salomos Tode
voraus. Er weiß von dem Nebeneinander von Jebusitern und Ju-
däern in Jerusalem, wie es nach der Resetzung der Stadt durch
David bestand; er weiß von den Kanaanitern in den großen Ort-
schaften des Nordreichs und ihrem Dienstverhältnis zu Israel. Zu
Juda rechnet er Kaleb in Hebron, ‘Otniel in Debir und die Söhne
des Keniters Chobab im äußersten Süden, während er Simeon dem
genealogischen Schema der Sage entsprechend als besonderen
Stamm, als „Bruder“ Judas betrachtet, der jedoch zusammen mit
Juda in den Krieg zieht, also politisch gleichfalls zu Juda gerechnet
wird1. Die Grenze Judas gegen Edom liegt an der Skorpionensteige
Jud I35. Ausgeschmückt wird diese schematische Darstellung durch
die Notiz von den Riesen zu Hebron Jud 110 und durch zwei Anek-
doten: von Adonisedek, dem König von Jerusalem, und von ‘Otniel
und seiner Tochter ‘Aksa; erstere ist eine verworrene historische
Erinnerung2, letztere will das Besitzrecht der Stadt Debir auf zwei
nach Hebron zu gelegene Brunnen begründen3. Die Erzählung von
der Eroberung Betels, mit der die Eroberungen des Hauses Josefs
ausgeschmückt werden, bringt eine blasse Wiederholung des Verrats-
motivs der Rachabsage, und die Notiz, daß der Bote Jahves vom
Gilgal nach Betel hinaufzog, wo man ihm opferte, gehört zum
allgemeinen Sagenbilde des Verfassers.
Das Konstruktive der ganzen Eroberungsgeschichte ist offen-
sichtlich. Wie ein Zug um das Tote Meer nicht möglich war, ohne
eine Unterwerfung Moabs, so eine Eroberung Südpalästinas nicht
ohne Einnahme Jerusalems, und eine Eroberung Galiläas nicht ohne
eine Bezwingung der Kanaaniterstädte in der Jizre‘elebene. Da eine
Eroberung Jerusalems nicht gut vor David erzählt werden konnte,
so begnügt sich der Darsteller mit der Annahme eines wirkungs-
1 Daß J von einer Verlosung der Stammesgebiete erzählt habe, ist aus
dem Ausdruck „Los“ Jud 13 nicht zu folgern.
2 Vgl. Jos ICü E und Malkisedek Gen 1418 Ps.
3 ‘Otniel Eponymus des Geschlechtes; ‘Aksa „Fußspange“ ein Frauen-
name.