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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 3. Abhandlung): Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung — Heidelberg, 1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.42028#0074
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74 G. Hölscher: Die Anfänge der hebräischen Geschichtsschreibung

die Daniten zur Philisterzeit, also im 11. Jahrhundert, noch in
dieser Gegend gesessen hätten, ist historisch ausgeschlossen. Die
Simsonsage in der Form, wie J sie kennen lernte, hat sich in Juda
ausgebildet und mit allerlei Ortssagen verbunden, wie der von
der Entstehung des Hügels und Quells zu Lechi und von dem nach
Hebron getragenen Stadttore von Gaza1.
Auf diese einfach aneinandergereihten vier Heldensagen läßt J
noch zwei weitere Erzählungen folgen, zuerst die von der Wande-
rung der Daniten und der Gründung des Heiligtums von Dan.
Diese Wanderung müßte, wenn sie geschichtlich ist, bereits in das
13. Jahrhundert fallen, da schon das Deboralied Jud 5i7 die Daniten
im Norden kennt2. Irgendeinen historischen Kern wird die Sage
haben, aber die Einzelheiten der Erzählung, vom Raub des Efods
und der ETntreue seines Priesters, sind erdichtet, wie schon aus der
unbestimmten Angabe über den Wohnsitz Mikas „auf dem Gebirge
Efraim“ zu ersehen ist. Ihre Absicht ist eine Verunglimpfung des
Heiligtums von Dan, dessen Efod aus gestohlenem Gelde hergestellt
wird und dessen Priester sich durch Gewinnlust weglocken läßt. Die
Erzählung ist demnach weder danitischen noch efraimitischen
Ursprungs, also offenbar in Juda entstanden.
Dasselbe gilt von der Gib‘asage. Ein Krieg des gesamten
Israels gegen Benjamin und Dezimierung dieses Stammes kurz vor
den Philisterkriegen Sauls und Davids ist geschichtlich unmöglich.
Zwischen der machtvollen Ausbreitung Benjamins, wie sie sich in
den Josuasagen und in der Ehudsage widerspiegelt, und dem erfolg-
reichen Kampfe Sauls gegen die Philister, durch den Benjamin die
Hegemonie unter den Stämmen erlangt, ist eine radikale Vernich-
tung Benjamins ausgeschlossen. Auch diese Sage ist also Dichtung,
und zwar in Juda entstandene Tendenzdichtung gegen die Heimat
und den Stamm Sauls3.
Das Urteil über die Herkunft des für die Regierung Sauls,
Davids und Salomos verarbeiteten Überlieferungsstoffes hängt
wesentlich ab von der Frage der Glaubwürdigkeit der Berichte.
Man pflegt die Zuverlässigkeit dieser Berichte zu unterstreichen
und schließt daraus, namentlich für die Geschichte der Regierung
1 Jud 1514__19 163.
2 Dan dient hier als Reisläufer auf den Schiffen der Phöniker (Sidonier).
3 Daß sie literarisch von anderen jahvistischen Erzählungen, insbeson-
dere von der Sodom-Lotsage abhängig ist, zeigt der Vergleich von Jud 195
mit Gen 185, Jud 1929 mit 1. Sam 117, Jud 2 03337f. 40 mit Jos 8^^ 2i.
 
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