Geschichte und Idee
103
Religion dieses Nomadentums, wie wir sie aus dem vorislamischen
Arabien kennen, hat eigentümlich primitive Formen. Zwei Gat-
tungen von Wesen sind es, die die Welt bevölkern, Menschen und
Dämonen. Die Dämonen hausen in Steinen, Quellen oder Bäumen
und haben oft Tiergestalt von Böcken, Schlangen u. a. Für alles,
was nicht mit natürlichen Dingen zugeht, vor allem für Schaden
und Unglück, für Krankheit und Regenmangel, für Unfruchtbar-
keit von Mensch und Vieh, werden die Dämonen verantwortlich
gemacht. Man wehrt sich gegen sie durch allerlei Zauber, Amu-
lette, Tätowierungen u. dgl.; auch die Beschneidung ist ursprüng-
lich ein Pubertätszauber. Durch allerlei Winke können sich die
an sich unsichtbaren Dämonen den Menschen bemerkbar machen;
alles was zufällig „begegnet“, begegnende Tiere, Träume und nächt-
liche „Stimmen“, können als Vorzeichen verstanden werden. Es
gibt auch selbstbestimmte Vorzeichen und eine methodische Kunst
der Orakelfindung. Auch wunderbare Kräfte im Menschen selbst
sind Wirkungen der unsichtbaren Mächte, riesige Körperkraft oder
besondere geistige Gaben, wie die des Sehers und Dichters. Magi-
sche Kraft liegt im Worte, im Segen des Sterbenden über die Nach-
kommen, im Fluch gegen den Feind, vor allem im Schwur, der die
Form des Fluches hat. Hier übt der Dämonenglaube eine Wirkung
auf das Leben aus. Durch Eid können Rechtsstreitigkeiten zwi-
schen den einzelnen entschieden, durch eidlichen Vertrag kann
Friede zwischen den Stämmen geschlossen werden. Im übrigen aber
besteht ein Rechtsverhältnis und eine verpflichtende Moral nur
innerhalb der Blutsgemeinschaft des Stammes. Nur dem „Bruder“
gegenüber gilt das Verbot nicht zu töten, zu ehebrechen, zu stehlen.
Über die Stammesgrenze hinaus geht sonst die Moral nur dem Gast
gegenüber und dem in ein festes Rechtsverhältnis aufgenommenen
Schutzgenossen.
Die Götter sind von den Dämonen generell nicht geschieden1;
auch sie wohnen in der Regel an bestimmten Orten, sind in bestimm-
ten Objekten zu Hause und ihr Wirken ist dämonischer Art2. Was
sie von den Dämonen unterscheidet, ist der öffentliche Kult, den
der Stamm ihnen erweist3. Am Heiligtum des Gottes versammeln
1 Vgl. J. Wellhausen, Reste arabischen Heidentums, 18972, S. 148.
2 Jahve geht als „Würger“ (Pestengel) in der Pesachnacht um. Vgl.
auch das nächtliche Wirken der Gottheit Gen 1915f. 23 3223 25b Ex 424_26.
3 Aber Gott und Stamm sind nicht in demselben Maße zusammen-
gehörig wie etwa in Assur, in Moab oder in Israel; denn der Gott wohnt am
Orte.
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Religion dieses Nomadentums, wie wir sie aus dem vorislamischen
Arabien kennen, hat eigentümlich primitive Formen. Zwei Gat-
tungen von Wesen sind es, die die Welt bevölkern, Menschen und
Dämonen. Die Dämonen hausen in Steinen, Quellen oder Bäumen
und haben oft Tiergestalt von Böcken, Schlangen u. a. Für alles,
was nicht mit natürlichen Dingen zugeht, vor allem für Schaden
und Unglück, für Krankheit und Regenmangel, für Unfruchtbar-
keit von Mensch und Vieh, werden die Dämonen verantwortlich
gemacht. Man wehrt sich gegen sie durch allerlei Zauber, Amu-
lette, Tätowierungen u. dgl.; auch die Beschneidung ist ursprüng-
lich ein Pubertätszauber. Durch allerlei Winke können sich die
an sich unsichtbaren Dämonen den Menschen bemerkbar machen;
alles was zufällig „begegnet“, begegnende Tiere, Träume und nächt-
liche „Stimmen“, können als Vorzeichen verstanden werden. Es
gibt auch selbstbestimmte Vorzeichen und eine methodische Kunst
der Orakelfindung. Auch wunderbare Kräfte im Menschen selbst
sind Wirkungen der unsichtbaren Mächte, riesige Körperkraft oder
besondere geistige Gaben, wie die des Sehers und Dichters. Magi-
sche Kraft liegt im Worte, im Segen des Sterbenden über die Nach-
kommen, im Fluch gegen den Feind, vor allem im Schwur, der die
Form des Fluches hat. Hier übt der Dämonenglaube eine Wirkung
auf das Leben aus. Durch Eid können Rechtsstreitigkeiten zwi-
schen den einzelnen entschieden, durch eidlichen Vertrag kann
Friede zwischen den Stämmen geschlossen werden. Im übrigen aber
besteht ein Rechtsverhältnis und eine verpflichtende Moral nur
innerhalb der Blutsgemeinschaft des Stammes. Nur dem „Bruder“
gegenüber gilt das Verbot nicht zu töten, zu ehebrechen, zu stehlen.
Über die Stammesgrenze hinaus geht sonst die Moral nur dem Gast
gegenüber und dem in ein festes Rechtsverhältnis aufgenommenen
Schutzgenossen.
Die Götter sind von den Dämonen generell nicht geschieden1;
auch sie wohnen in der Regel an bestimmten Orten, sind in bestimm-
ten Objekten zu Hause und ihr Wirken ist dämonischer Art2. Was
sie von den Dämonen unterscheidet, ist der öffentliche Kult, den
der Stamm ihnen erweist3. Am Heiligtum des Gottes versammeln
1 Vgl. J. Wellhausen, Reste arabischen Heidentums, 18972, S. 148.
2 Jahve geht als „Würger“ (Pestengel) in der Pesachnacht um. Vgl.
auch das nächtliche Wirken der Gottheit Gen 1915f. 23 3223 25b Ex 424_26.
3 Aber Gott und Stamm sind nicht in demselben Maße zusammen-
gehörig wie etwa in Assur, in Moab oder in Israel; denn der Gott wohnt am
Orte.