Metadaten

Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0025
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Logische Studien zur Gesetzesanwendung

25

steht in der Gleichartigkeit oder wenigstens Ähnlichkeit der Ob-
jekte1, auf die das Begriffswort als Kennzeichnung zutrifft und die
der Grund für diese Kennzeichnung ist; die Merkmale des Be-
griffs sind die Gleichartigkeiten und Ähnlichkeiten in den Beschaf-
fenheiten2 der Objekte, die den Grund abgeben für die Zusammen-
fassung dieser Objekte zu einer Einheit, wie sie die Zuordnung eines
bestimmten terminus zum Ausdruck bringt. Der Umfang des Be-
griffs im Sinne des empirischen Umfangs ist die Klasse all derjenigen
Objekte, die durch das Begriffswort „gemeint“ sind, die die Kenn-
zeichnung durch dieses Wort verdienen, weil sie an der Gleichartig-
keit teilnehmen, im Hinblick auf die der Begriff gebildet ist3. Die
Subsumtion aber eines einzelnen Objektes unter den Begriff be-
deutet nichts anderes als die Gleichsetzung jenes Objekts mit den
anderen Objekten, die das Begriffswort herkömmlich oder kraft
Festsetzung bezeichnet, und zwar im Hinblick darauf, daß das ein-
1 Dabei ist natürlich im Einklang mit den Anmerkungen 3 auf S. 24
und 2 auf dieser Seite nicht nur an sinnlich wahrnehmbare Gleichheit und
Ähnlichkeit, sondern auch an solche für Gefühl, für Wertung usw. zu denken.
2 Auch dieser Begriff ist hier denkbar weit zu verstehen. Beschaffen-
heiten sind nicht nur reale Eigenschaften an realen Dingen, sondern alle er-
denklichen Eigenschaften, Beziehungen, Prädikate, die sich einem Objekt bei-
legen lassen, darunter auch Wertbeschaffenheiten und negative Beschaffen-
heiten. Ausdrücklich zu betonen ist, daß Objekt und Beschaffenheit nur relativ
zu unterscheiden sind. Beschaffenheiten können selbst Objekt eines Begriffs
sein. Und eine Beschaffenheit als Objekt kann dann wieder Beschaffenheiten
haben, die ihrerseits wieder Objekte werden können. Vgl. Bolzano, Wissen-
schaftslehre I, § 80 (Beschaffenheit = alles, was von einem Gegenstände „ge-
habt“ wird, alles was als Prädikatsvorstellung in einem Satze auftreten kann).
3 Auch der Individualbegriff hat einen empirischen Umfang in Gestalt
der verschiedenen Vorstellungen, die sich auf ein und dasselbe Objekt bezie-
hen und dadurch verwandt sind. Man denke beispielsweise daran, daß „die
Wegnahme des Mantels des E durch den A in der Nacht des 15. 1. 42“ im
Laufe eines Strafprozesses von den verschiedensten Personen als „Objektiv“
von Behauptungen und Erwägungen behandelt wird. Zwischen den hier auf-
tauchenden Vorstellungen herrscht bis zu einem gewissen Grade Übereinstim-
mung. Natürlich denke ich nicht daran, die Wegnahme selbst (das Objektiv),
woran in erster Linie beim Umfang des Individualbegriffs zu denken ist (Um-
fang = 1), mit jenen Vorstellungen von der Wegnahme zu verwechseln. Ich
will nur sagen, daß die Veranlassung für die Bildung eines Individual-
begriffs in der Mehrheit von geistigen Akten zu suchen ist, die sich auf das
einzelne Objekt beziehen und durch die damit begründete Gleichartigkeit den
Anreiz bieten, eine Zusammenfassung in Gestalt eines zugeordneten Begriffs-
worts vorzunehmen. Würde ein individuelles Objekt nicht wenigstens mehr-
fach vorgestellt, so würde es nicht zu einem Begriff kommen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften