Logische Studien zur Gesetzesanwendung
47
pirisch nicht immer leicht zu entscheiden, und wieweit überhaupt
geistige Gegenstände als wirklich in Frage kommen, also „wirklich-
keitsartig“ sind, darüber gibt es große Meinungsverschiedenheiten
(Näheres S. 243/44). Erkennen wir aber wirkliche geistige Gebilde
und Gegenstände an1, so hegt es nahe, im Zusammenhang damit die
Realität auch korporativen Erscheinungen zuzuerkennen,
also wie den Einzelmenschen, so auch Familien, Sippen, Stämme,
Völker, Rassen für wirklich zu erklären, sofern tatsächlich Personen
vorhanden sind und Beziehungen zwischen ihnen bestehen, wie sie
Voraussetzung dafür sind, daß wir von „Familie“, „Sippe“ usw.
sprechen. Offensichtlich geraten wir nun mehr und mehr auf unsi-
cheren Boden. Gerade Carnap hat denn auch speziell für Ganz-
heiten dargelegt, daß die Umgrenzung des Bereichs des „Wirklich-
keitsartigen“ hier allgemein unsicher ist. Schon im Bereich des Phy-
sischen ist es ungewiß, ob wir außer dem Einzelding auch das KoF
lektivum2 als „wirklich“ bezeichnen sollen. „Sind die Einzeldinge,
die das Ganze bilden, räumlich nahe beieinander, so pflegen wir das
Ganze wirklich zu nennen, zuweilen auch selbst als Ding zu bezeich-
nen (z. B. einen Sandhaufen, einen Wald). Sind die Einzeldinge
räumlich weit voneinander getrennt, so wird das Ganze umso eher
als wirklich bezeichnet, je gleichartiger die Einzeldinge einander
sind“3. Müssen wir also nicht auch im Bereich der Lebewesen und
der Menschen von einer gewissen Grenze an zögern, Kollektiva für
wirklich zu erklären? Zumal das Kollektivum leicht in eine „Klas-
se“ und damit in eine begriffliche Zusammenfassung übergeht.
Theoretisch mögen freilich Kollektivum als Ganzes und Klasse
streng zu unterscheiden sein, aber es ist nicht immer leicht zu ent-
scheiden, woran im Einzelfalle gedacht ist4. „Die Franzosen“ sind
ein Kollektivum, solange ich das Volk als Ganzes im Auge habe, das
1 Hierher könnte dann auch der gebräuchliche lebendige Sinn von Ge-
dankenäußerungen und Willenserklärungen gerechnet werden, während der
„vernünftige“ Sinn einer Äußerung so überwiegend Wertelemente enthält, daß
man ihn nicht als Tatsache ansprechen kann. Vgl. oben S. 41 Anm. 4.
2 Wir wollen hier unter „Kollektivum“ jede Zusammenfassung einzelner
Elemente zu einem Ganzen verstehen, ohne Rücksicht darauf, ob die so ent-
stehende Ganzheit eine echte Gestalt“ oder bloß „Summe ihrer Teile“ (Ag-
gregat) ist. Vgl. Carnap, § 36 und Pfänder, Logik, 1929, S. 264/65 (130/31,)
286 Ziff. 4 (152, Ziff. 4).
3 S. 241/42 Beispiele daselbst: „Mein Mobiliar“, „der noch ungehobene
Kohlebestand des deutschen Bodens“, „die augenblickliche Vegetation Mittel-
europas“, „die Eichen Europas“, „die über 20 m hohen Bäume Europas“.
4 Carnap, a.a.O„ §§ 33, 36, 37.
47
pirisch nicht immer leicht zu entscheiden, und wieweit überhaupt
geistige Gegenstände als wirklich in Frage kommen, also „wirklich-
keitsartig“ sind, darüber gibt es große Meinungsverschiedenheiten
(Näheres S. 243/44). Erkennen wir aber wirkliche geistige Gebilde
und Gegenstände an1, so hegt es nahe, im Zusammenhang damit die
Realität auch korporativen Erscheinungen zuzuerkennen,
also wie den Einzelmenschen, so auch Familien, Sippen, Stämme,
Völker, Rassen für wirklich zu erklären, sofern tatsächlich Personen
vorhanden sind und Beziehungen zwischen ihnen bestehen, wie sie
Voraussetzung dafür sind, daß wir von „Familie“, „Sippe“ usw.
sprechen. Offensichtlich geraten wir nun mehr und mehr auf unsi-
cheren Boden. Gerade Carnap hat denn auch speziell für Ganz-
heiten dargelegt, daß die Umgrenzung des Bereichs des „Wirklich-
keitsartigen“ hier allgemein unsicher ist. Schon im Bereich des Phy-
sischen ist es ungewiß, ob wir außer dem Einzelding auch das KoF
lektivum2 als „wirklich“ bezeichnen sollen. „Sind die Einzeldinge,
die das Ganze bilden, räumlich nahe beieinander, so pflegen wir das
Ganze wirklich zu nennen, zuweilen auch selbst als Ding zu bezeich-
nen (z. B. einen Sandhaufen, einen Wald). Sind die Einzeldinge
räumlich weit voneinander getrennt, so wird das Ganze umso eher
als wirklich bezeichnet, je gleichartiger die Einzeldinge einander
sind“3. Müssen wir also nicht auch im Bereich der Lebewesen und
der Menschen von einer gewissen Grenze an zögern, Kollektiva für
wirklich zu erklären? Zumal das Kollektivum leicht in eine „Klas-
se“ und damit in eine begriffliche Zusammenfassung übergeht.
Theoretisch mögen freilich Kollektivum als Ganzes und Klasse
streng zu unterscheiden sein, aber es ist nicht immer leicht zu ent-
scheiden, woran im Einzelfalle gedacht ist4. „Die Franzosen“ sind
ein Kollektivum, solange ich das Volk als Ganzes im Auge habe, das
1 Hierher könnte dann auch der gebräuchliche lebendige Sinn von Ge-
dankenäußerungen und Willenserklärungen gerechnet werden, während der
„vernünftige“ Sinn einer Äußerung so überwiegend Wertelemente enthält, daß
man ihn nicht als Tatsache ansprechen kann. Vgl. oben S. 41 Anm. 4.
2 Wir wollen hier unter „Kollektivum“ jede Zusammenfassung einzelner
Elemente zu einem Ganzen verstehen, ohne Rücksicht darauf, ob die so ent-
stehende Ganzheit eine echte Gestalt“ oder bloß „Summe ihrer Teile“ (Ag-
gregat) ist. Vgl. Carnap, § 36 und Pfänder, Logik, 1929, S. 264/65 (130/31,)
286 Ziff. 4 (152, Ziff. 4).
3 S. 241/42 Beispiele daselbst: „Mein Mobiliar“, „der noch ungehobene
Kohlebestand des deutschen Bodens“, „die augenblickliche Vegetation Mittel-
europas“, „die Eichen Europas“, „die über 20 m hohen Bäume Europas“.
4 Carnap, a.a.O„ §§ 33, 36, 37.