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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0050
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50

Karl Engisch:

Drei Gruppen von Auffassungen möchte ich unterscheiden* 1.
Eine erste Gruppe sieht als wirklich das an, was eine bestimmte
Stelle in einem näher charakterisierten ontischen Zusammenhang
einnimmt, also etwa seine bestimmte Stelle im Raum oder in der
Zeit, eventuell auch in beiden, hat, oder in den Zusammenhang der
Ursachen und Wirkungen oder in den naturgesetzlichen Zusammen-
hang oder auch in den Zusammenhang einer geistigen Welt einge-
ordnet ist. So Schlick, Heyde, Jacoby, Burkamp, Carnap, Som-
mer. Klassische Vertreter dieser Auffassung sind Bolzano und
Schopenhauer: „Bekanntlich setzen wir alles, was wirklich ist . . .
in eine gewisse Zeit“ (Wissenschaftslehre I § 79 Ziff. 5). „Ursache
und Wirkung ist das ganze Wesen der Materie: ihr Sein ist ihr Wir-
ken. Höchst treffend ist daher im Deutschen der Inbegriff alles Ma-
teriellen Wirklichkeit genannt“ (Welt als Wille und Vorstellung
Buch I § 4). Aber auch Schopenhauers Antipode Hegel dürfte
hierher gehören. Zunächst mit seinem Begriff der Existenz als des
begründeten und vermittelten Daseins (Enzyklopädie § 123), dann
aber auch mit seinem Begriff der Wirklichkeit als „Äußerung des
Wirklichen“, „Energie“, Wirksamkeit (a. a. 0. § 142 und Kuno
Fischer, Hegel, Bd. I, S. 516). Eine zweite Gruppe kennzeichnet
das Wirkliche durch die Art und Weise seines Gegebenseins für
das Subjekt. Wirklich ist, was empfunden, wahrgenommen, erfah-
ren, erlebt, vielleicht auch nur emotional vergegenwärtigt wird. So
v. Aster, v. Kries, Wenzl, Rickert, Hartmann, teilweise auch
Schlick. Klassischer Vertreter dieser Auffassung ist Kant: „Was
mit den materialen Bedingungen der Erfahrung (der Empfindung)
zusammenhängt, ist wirklich“ (Kritik der reinen Vernunft, Trans-
zendentale Analytik, Buch II, zweites Hauptstück, dritter Ab-
S. 237ff.; Dubislav, Die Lehre von der Definition, 1931, § 74; Burkamp,.
Logik, 1932, §§ 129, 132, 152, 262ff.; N. Hartmann, Das Problem des geisti-
gen Seins, 1933; Grundlegung der Ontologie, 1938; Wenzl, Wissenschaft
und Weltanschauung, 1936, S. 19ff. Über die von Juristen aufgestellten Merk-
male und Kriterien des Tatsachenbegriffs (Allgemeingültigkeit, Wahrnehm-
barkeit, Bestimmtheit, Beweisbarkeit, Nachprüfbarkeit, Einfachheit) berichtet
ausführlich Mannheim, a.a.O., S. 46ff. Über „Das Reale und der Gegen-
stand der Rechtswissenschaft“ siehe ferner Sommer, Kritischer Realismus und
positive Rechtswissenschaft I, 1929, S. 54ff.
1 Die Schriftsteller, die im folgenden als Vertreter der einen oder anderen
Gruppe namhaft gemacht werden, könnten verschiedentlich wegen Kombina-
tion mehrerer Merkmale und Kriterien sowohl der einen wie der anderen
Gruppe zugezählt werden. Sie sind dann zu derjenigen Gruppe gestellt wor-
den, zu der sie dem Schwerpunkt nach gehören.
 
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