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Karl Engiscii:
aufgeprägt wird. Die Wirklichkeitserkenntnis „versieht das Erleb-
bare oder im Bewußtsein Yorfindbare mit dem Prädikat der Wirk-
lichkeit“. „Die Form Wirklichkeit bildet zusammen mit einem er-
lebten oder bewußten Inhalt einen wirklichen Gegenstand“1. Doch
wollen wir über die bisherigen Aufstellungen nicht hinausgehen und
uns nicht auf rein erkenntnistheoretisches Gebiet begeben. Wir las-
sen daher auch das Problem auf sich beruhen, was es mit dem An-
sichsein der Außenwelt auf sich hat, wie wir zum „Glauben an die
Realität der Außenwelt“ gelangen, wieweit dieser Glaube den An-
feindungen eines reinen „Immanenzstandpunktes“ standhält usw.2).
Wir dürfen uns als Juristen getrost der „naiven“ Anschauung von
der Realität der Außenwelt und dem „Ansichsein“ der Dinge in ihr
anschließen, sofern wir nur in der Lage sind, Schein und Sein zu un-
terscheiden, und uns bewußt bleiben, daß uns die Einzelwahrneh-
mung für sich genommen noch nicht zuverlässig Tatsachen verbürgt,
daß es hierzu vielmehr einer Nachprüfung anhand des Gesamtsy-
stems unserer Erfahrung bedarf, in das alle unmittelbaren Gegeben-
heiten zeitlich, räumlich und kategorial einzugliedern sind, um als
„objektiv wirklich“ Bestand zu haben. Wir werden uns trotz alle-
dem stets vor Augen halten, daß das wesentliche Merkmal und Kenn-
zeichen des Wirklichen die äußere oder innere Wahrnehmung ist.
Allerdings bleibt uns noch übrig, dieses Ergebnis in Einklang
zu bringen mit der früher vollzogenen Abgrenzung des Bereichs der
„wirklichkeitsartigen Gegenstände“. Nur solche Gegenstände und
Ereignisse kommen ja für eine Wirklichkeitsaussage in Betracht,
also z. B. nicht zukünftige Vorgänge, nicht Wertattribute, vielleicht
auch nicht Erfahrungssätze3. Aber wieso können nun überhaupt
alle die Gattungen wirklichkeitsartiger Gegenstände und Vorgänge,
1 Die Zitate sind mit unwesentlichen grammatischen Umstellungen dem
„System der Philosophie“ S. 179 entnommen.
2 Zu diesen Fragen siehe außer Dilthey, a.a. 0., das dreibändige Werk
von Külpe : Die Realisierung, 1912—1923, und die ausgezeichnete Einführung
von Schlick, a.a.O., S. 178ff.
3 Mit dieser Erwägung könnte man übrigens auch die oben berührte
Problematik der Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft hinsichtlich
der Realität abschneiden: Da wohl das Vergangene, nicht aber das Zukünftige
wirklichkeitsartig ist, kommt auch nur jenes für eine Wirklichkeitsaussage in
Frage. Auf die gleiche Weise würde auch dem Einwand Mannheims gegen die
Wahrnehmungstheorie zu begegnen sein: „Das Urteil, daß ein Bild "schön’ sei,
kann schließlich auch nur aus Wahrnehmungen erschlossen werden“ (S. 47).
Wertattribute kommen eben von vornherein nicht als wirklichkeitsartige
Gegenstände in Frage. Und Entsprechendes ließe sich für Erfahrungssätze
Karl Engiscii:
aufgeprägt wird. Die Wirklichkeitserkenntnis „versieht das Erleb-
bare oder im Bewußtsein Yorfindbare mit dem Prädikat der Wirk-
lichkeit“. „Die Form Wirklichkeit bildet zusammen mit einem er-
lebten oder bewußten Inhalt einen wirklichen Gegenstand“1. Doch
wollen wir über die bisherigen Aufstellungen nicht hinausgehen und
uns nicht auf rein erkenntnistheoretisches Gebiet begeben. Wir las-
sen daher auch das Problem auf sich beruhen, was es mit dem An-
sichsein der Außenwelt auf sich hat, wie wir zum „Glauben an die
Realität der Außenwelt“ gelangen, wieweit dieser Glaube den An-
feindungen eines reinen „Immanenzstandpunktes“ standhält usw.2).
Wir dürfen uns als Juristen getrost der „naiven“ Anschauung von
der Realität der Außenwelt und dem „Ansichsein“ der Dinge in ihr
anschließen, sofern wir nur in der Lage sind, Schein und Sein zu un-
terscheiden, und uns bewußt bleiben, daß uns die Einzelwahrneh-
mung für sich genommen noch nicht zuverlässig Tatsachen verbürgt,
daß es hierzu vielmehr einer Nachprüfung anhand des Gesamtsy-
stems unserer Erfahrung bedarf, in das alle unmittelbaren Gegeben-
heiten zeitlich, räumlich und kategorial einzugliedern sind, um als
„objektiv wirklich“ Bestand zu haben. Wir werden uns trotz alle-
dem stets vor Augen halten, daß das wesentliche Merkmal und Kenn-
zeichen des Wirklichen die äußere oder innere Wahrnehmung ist.
Allerdings bleibt uns noch übrig, dieses Ergebnis in Einklang
zu bringen mit der früher vollzogenen Abgrenzung des Bereichs der
„wirklichkeitsartigen Gegenstände“. Nur solche Gegenstände und
Ereignisse kommen ja für eine Wirklichkeitsaussage in Betracht,
also z. B. nicht zukünftige Vorgänge, nicht Wertattribute, vielleicht
auch nicht Erfahrungssätze3. Aber wieso können nun überhaupt
alle die Gattungen wirklichkeitsartiger Gegenstände und Vorgänge,
1 Die Zitate sind mit unwesentlichen grammatischen Umstellungen dem
„System der Philosophie“ S. 179 entnommen.
2 Zu diesen Fragen siehe außer Dilthey, a.a. 0., das dreibändige Werk
von Külpe : Die Realisierung, 1912—1923, und die ausgezeichnete Einführung
von Schlick, a.a.O., S. 178ff.
3 Mit dieser Erwägung könnte man übrigens auch die oben berührte
Problematik der Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft hinsichtlich
der Realität abschneiden: Da wohl das Vergangene, nicht aber das Zukünftige
wirklichkeitsartig ist, kommt auch nur jenes für eine Wirklichkeitsaussage in
Frage. Auf die gleiche Weise würde auch dem Einwand Mannheims gegen die
Wahrnehmungstheorie zu begegnen sein: „Das Urteil, daß ein Bild "schön’ sei,
kann schließlich auch nur aus Wahrnehmungen erschlossen werden“ (S. 47).
Wertattribute kommen eben von vornherein nicht als wirklichkeitsartige
Gegenstände in Frage. Und Entsprechendes ließe sich für Erfahrungssätze