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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0061
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

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Ausdruck jetzt nur in dem Sinne gemeint sein kann, daß durch die
Aufnahme des Beweises der Urteiler sich selbst von der Wirklich-
keit der rechtserheblichen Tatsachen (die zunächst nur „behaup-
tet“ sein müssen) überzeugt1. Judici fit probatio. Eine Tat-
sache ist als echte Tatsache, als wirklich, festgestellt und erwiesen,
wenn der Urteiler von ihrer Wirklichkeit überzeugt ist. Worauf
gründet sich diese Überzeugung, wie ist ihre Gewinnung logisch be-
schaffen ? Wenn wir uns zur Untersuchung dieser Frage anschik-
ken, so dürfen wir von dem heute nur noch selten durchbrochenen
Grundsatz der freien Beweiswürdigung ausgehen.
Überhaupt können wir im folgenden alle besonderen Rechtsregeln
über Beweisbedürftigkeit (Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses im
Zivilprozeß, Wirkung einer praesumtio iuris oder auch einer „natür-
lichen Vermutung“ usw.), über die Beschränkung der Beweisaufnahme
durch das Beweisanerbieten der Parteien oder durch „Beweisverbote“
(die zum großen Teil, aber nicht ausschließlich im Dienste des Grund-
satzes der Unmittelbarkeit stehen), über ausschließliche Beweiskraft be-
1925, S. 86ff.; Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht, 1928, S. 277ff.
(Literaturangaben S. 280/81); Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivil-
prozeßrechts, 3. Aufl. 1931, S. 376ff. (Literatur S. 376 Anm. 1); Schönke,
Zivilprozeßrecht, 1938, S. 191 ff.; v. Hippel, Der deutsche Strafprozeß, 1941,
S. 377ff. Aus der Spezialliteratur sind hervorzuheben: Heusler, ArchZivPr.
62, S. 209ff.; Stein, Das private Wissen des Richters, 1893; Bierling, Juri-
stische Prinzipienlehre IV, 1911; Rumpf, Der Strafrichter I, 1912; Hellwig,
Gerichtssaal 82, 1914, S. 403ff.; Mezger, Der psychiatrische Sachverständige
im Prozeß, 1918; Moser, In dubio pro reo, Münchener Dissertation 1933,
S. 35 ff. Zur Technik der Aufklärung strafbarer Handlungen reiche Literatur-
angaben bei Löwe-Rosenberg, Strafprozeßordnung, 19. Aufl. 1934, Anm. 4
vor § 158. Aus der philosophischen Literatur sind besonders zu nennen: Lotze,
Logik, Buch II, Kap. 9; Sigwart, Logik II, 4. Aufl. 1911, § 99. Dabei ist
darauf zu achten, daß wir das Wort „Beweis“ im folgenden nicht im allgemei-
nen logischen Sinne gebrauchen, sondern nur in dem speziellen Sinne der Tat-
sachenfeststellung, also der „Bestimmung singulärer Tatsachen“ (Lotze). Nä-
heres zu dem Verhältnis zwischen logischem und juristischem Beweis: Bier-
ling, a. a. 0., S. 38 ff. und unt. S. 81 A. 1. Weitgehend deckt sich diese juristische
Aufgabe der Tatsachenermittlung mit der Aufgabe des Historikers, bestimmte
historische Ereignisse zur Feststellung zu bringen, daher für die folgenden
Probleme auch mit Nutzen herangezogen werden können die Arbeiten zur
historischen Methodik. Doch würden Anführungen hierüber zu weitläufig sein.
Zur ersten Orientierung geeignet: Bernheim, Einleitung in die Geschichts-
wissenschaft, Sammlung Göschen, 1926, S. 99ff.
1 Gegen diese Terminologie Gold Schmidt, Der Prozeß als Rechtslage,
1925, S. 432/33, 448/49: „Die unparteiische auf Feststellung des wirklich Ge-
schehenen gerichtete richterliche Tätigkeit kann man nur vermöge einer Ver-
gewaltigung des Sprachgebrauchs „Beweis“ nennen.“
 
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