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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0062
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Karl Exgisch:

stimmter Beweismittel (Protokoll!) und dergleichen mehr die natürliche
Logik der Tatsachenfeststellung möglicherweise durchkreuzende Normen
unberücksichtigt lassen. Es handelt sich für uns nicht um die Darstel-
lung der gesamten juristischen Beweislehre, sondern nur um die Betrach-
tung ihrer logischen Struktur. Auch an dieser Stelle müssen also das
Logische und das Juristische geschieden und in ihrem wechselseitigen
Verhältnis näher geprüft werden. Dabei zeigt sich erneut, daß es beson-
dere Zweckgesichtspunkte sind, die zu einer Modifikation der vorjuri-
stischen logisch-erkenntnistheoretischen Gesichtspunkte führen. So sind
es die besonderen teleologischen Momente, die in der Verhandlungs-
maxime stecken, die im Zivilprozeß zu einer teilweisen Abwandlung der
natürlichen Methoden der Tatsachenfeststellung führen. Ebenso sind es
rechtlich anerkannte Interessen, die hinter einem Beweisverbot wie dem
des § 252 StPO. (,,Die Aussage eines vor der Hauptverhandlung ver-
nommenen Zeugen, welcher erst in der Hauptverhandlung von seinem
Rechte, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, darf nicht verlesen
werden“) stehen. Andererseits darf nicht verkannt werden, daß es zum
Teil auch die natürlichen logisch-erkenntnistheoretischen Erfahrungen
selbst sind, die sich — zuweilen etwas grobschlächtig — in den Beweis-
rechtsnormen niederschlagen. Dies gilt für manche Präsumtionen, es
gilt aber vor allem auch für die Normen, die den Grundsatz der LTn-
mittelbarkeit ausprägen. Im Strafprozeß, immer mehr aber auch im
Zivilprozeß, strebt das Beweisrecht die Erforschung der „materiellen
Wahrheit“ an. Damit ist der Abstand zwischen der natürlichen Logik
und der juristischen Logik auf dem Gebiete der Tatsachenfeststellung
nicht so groß. Eben deshalb können wir auch aus der juristischen Be-
weislehre für die logische Erhellung des Wesens der Tatsachenfeststellung
soviel Nutzen ziehen, wie wir dies im folgenden tun. Aber es versteht
sich von selbst, daß wir im Zusammenhang unserer Darlegungen auf die
natürliche Logik der Tatsachenermittelung zurückgehen und alles spezi-
fisch Juristische, das zu einer Abwandlung der natürlichen Methoden
führt, unberücksichtigt lassen. Über Sinn und Bedeutung der Beweis-
rechtsnormen siehe auch die beachtlichen Darlegungen von Mezger,
a.a.O., S. 162ff.
Die Antwort auf unsere Frage nach der logischen Struktur des
„Beweises“ ist einfach, wenn sich der juristisch zu beurteilende Vor-
gang „unter den Augen“ desjenigen abgespielt hat, der ihn zu beur-
teilen hat. Ein Beispiel liefert innerhalb des gerichtlichen Prozes-
ses — auf den wir uns im Folgenden beschränken wollen und dürfen,
weil in allen anderen Bereichen grundsätzlich das gleiche gilt — der
§ 178 GVG.: eine Person macht sich in der Sitzung einer FIngebühr
schuldig und wird dieserhalb sofort zu einer Ordnungsstrafe verur-
teilt. Die Feststellung der Tatsachen, in denen die Ungebühr gefun-
den wird, erfolgt hier unmittelbar durch „Wahrnehmung“1 oder
1 „Wahrnehmung“ ist natürlich jetzt in dem oben geklärten Sinne zu
 
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