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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0066
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66

Karl Engisch:

künde, die Auskunftsperson selbst, sondern die unmittelbare Wahr-
nehmung am Objekt, der Einblick in die Urkunde, die Vernehmung
der Auskunftsperson. Diese Beweisakte liefern dann aber, soweit
es sich um die jetzt interessierenden nicht mehr wahrnehmbaren
Elemente des rechtserheblichen Sachverhalts handelt, nichts an-
deres als Indizien. So ist etwa ein Fingerabdruck, den der Richter
an der am Tatort gefundenen Mordwaffe (einem Augenscheinsob-
jekt) wahrnimmt, ein Indiz dafür, daß eine bestimmte Person die
Waffe in Händen gehabt hat und also als Mörder in Frage kommt.
So ist die in einem Briefe (einer Urkunde) zu lesende gehässige und
feindselige Äußerung einer bestimmten Person gegenüber dem Er-
mordeten Indiz dafür, daß bei jener Person eine Gesinnung
herrschte, die sie möglicherweise zu dem unter Anklage gestellten
Mord antrieb. Die vom Richter entgegengenommene Aussage des
Zeugen selbst, daß er den A zur Tatzeit in der Nähe des Tat-
orts gesehen habe, ist Indiz dafür, daß A als Täter in Betracht
gezogen werden darf. Wir müssen daher sagen: soweit es
sich um den Beweis nicht unmittelbar wahrnehm-
barer Bestandteile des relevanten Sachverhalts han-
delt, ist dieser Beweis grundsätzlich Indizienbeweis
und nichts anderes. Die „Beweismittel“ im üblichen Sinne
sind nur die Träger und Produzenten der Indizien. Die Indizien
selbst sind aber in der Tat Tatsachen, die ihrerseits unmittel-
bar wahrnehmbar sind und bei der Beweiserhebung auch ir-
gendwie der Wahrnehmung unterworfen werden, und die zugleich
nach den Regeln der Erfahrung einen Schluß zulassen auf die
Realität derjenigen Tatsachen, um deren „Feststellung“ es geht.
Für die Methoden der Schlußfolgerung gelten dann die
berühmten Mephistoworte: „Zwar ists mit der Gedankenfabrik
wie mit einem Webermeisterstück . . . .“. Wir können uns daher
nicht anmaßen, eine vollständige Analyse zu bieten. Nur einiges
Grundsätzliche soll herausgestellt werden.
Wir sagten eben, daß die Indizien selbst unmittelbar wahr-
nehmbare und bei der Beweiserhebung wahrgenommene Tatsachen
sind, die nach den Regeln der Erfahrung einen Schluß zulassen auf
die Realität der feststellungsbedürftigen Tatsachen. Der Urteiler
die eventuell unter Benutzung eines Objekts dem Zwecke dienstbar ist. Im
eigentlichen Sinne ist nur eine Handlung Mittel. Nennt man z. B. auch eine
Schußwaffe ein Mittel zur Tötung, so ist streng genommen doch ein solches
nur der Schuß aus der Waffe auf das Opfer.
 
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