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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1941/42, 5. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung: vorgelegt am 14.11.1942 — Heidelberg, 1943

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https://doi.org/10.11588/diglit.42030#0093
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

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denen heraus ebenfalls ein sehr lebhafter Verkehr stattfindet ? Hier
ist dann das Subsumtionsproblem zum Subordinationsproblem ge-
worden und damit deutlich als Rechtsfrage gekennzeichnet; dabei
sind gerade hier Tat- und Rechtsfrage genau trennbar. Die Ein-
maligkeit und Besonderheit der Situation steht weder einer Tren-
nung der Tat- und Subsumtionsfrage noch einer Generalisierbar-
keit der letzteren noch auch nur einer darstellenden Beschreibung
des Falles unbedingt im Wege. Wehli irrt, wenn er a.a.O. S. 436
Abs. 2 sagt: „Besteht der Tatbestand . . . aus einem Ensemble
zahlreicher, nach feinen Gradunterschieden abgestufter Einzel-
umstände, dann läßt sich dasselbe nur durch möglichst unmittel-
bare Anschauung in seiner ganzen Fülle erfassen, aber sprachlich
nicht genau darstellen“. Und jedenfalls verschmelzen nicht des-
halb Tat- und Rechtsfrage in unserem Beispiel mit dem zu schnell
fahrenden Chauffeur oder im Beispiel mit dem ungebührlich ange-
zogenen Zeugen, weil es auf alle Umstände des besonderen Falles
ankommt, auf die ich vielleicht nur durch wahrnehmende Betrach-
tung, durch „Augenschein“ aufmerksam werde, sondern deshalb,
weil und insoweit als die Feststellung des tatsächlichen Sobeschaf-
fenseins einen Vergleich mit den vom Gesetz gemeinten Fällen vor-
aussetzt. Die Schwierigkeiten sind also da zu suchen, wo die Fest-
stellung, daß wirklich etwas so ist, nicht ohne Vergleich mit den
vom Gesetz gemeinten Fällen vollzogen werden kann. Eben des-
halb würde ich auch im Chauffeur-Beispiel die Untrennbarkeit von
Tat- und Rechtsfrage nicht anerkennen, weil sich hier alle die zahl-
reichen Umstände des Einzelfalles wie Breite der Straße, Zahl der
Nebenstraßen, Umfang des Verkehrs usw. sehr wohl feststellen las-
sen ohne „Subsumtion“. Anders steht es dagegen möglicherweise
im Beispiel des ungebührlichen Zeugen, bei dem die Feststellung
des Wie seines Auftretens geleitet ist durch vergleichende Ver-
gegenwärtigung dessen, was man sich sonst unter Ungebühr vor-
stellt.
Mannheim und Mezger meinen nun, es sei die Verflochten-
heit von Tatsachenfeststellung und Tatsachenbewertung, die die
Untrennbarkeit von Tat- und Rechtsfrage bewirke. Hieran ist zu-
nächst soviel richtig, daß dort, wo Feststellung und Bewertung un-
auflöslich verschlungen sind, schon um deswillen von Tatsachen-
feststellung keine Rede sein kann, weil Wertattribute keine „Tat-
sachen“ sind, also die Wertung, die ein solches Wertattribut auf-
prägt, keine Tatsachenfeststellung enthält bzw. die Tatsachen-
 
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