no
Karl Engisch:
bereitschaft, ja geradezu vom guten Willen und der moralischen
Toleranz des zur Deutung Berufenen ab1 und damit in ähnlicher
Weise von subjektiven und affektiven Faktoren, wie die Urteile:
dies ist rot, süß, laut, unerträglich usw. von der subjektiven Ver-
fassung und den Wertungen des Urteilenden abhängen. Geht man
von dem Gegensatz von Tatsachenfeststellung und Wertung aus —
den wir allerdings selbst nicht als den entscheidenden bei der Tren-
nung von Tat- und Rechtsfrage angesehen haben, der aber doch
für den Begriff der Tatsachenfeststellung eine Rolle spielt, weil das,
was ausgesprochene Wertung ist, nicht als Tatsachenfeststellung
angesehen werden kann —, so haben wir es in derartigen Fällen
nicht mit reiner Tatsachenfeststellung zu tun. Legen wir aber dem
Unterschied von Tat- und Rechtsfrage den von Feststellung und
Subsumtion an Hand der Rechtsbegriffe zugrunde, so können und
müssen wir weiter sagen: Mit der Deutung kann sich sehr wohl
eine Subsumtion verschlingen. Der Vergleich mit anderen Äuße-
rungen, deren Charakter als Gotteslästerung feststeht, kann es mir
erleichtern, die Art der Sinnesrichtung aufzudecken, die hinter den
Worten steht. Und in jeder Beziehung analog kann es bei der Fest-
stellung einer schuldhaften Willensrichtung stehen. Ob der Täter
mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit gehandelt hat, das kann von dem
Grade der Wahrscheinlichkeit abhängen, mit der er den Erfolg er-
wartet hat, es kann aber auch abhängen von der gefühlsmäßigen
Einstellung zum Erfolg, ob dieser geradezu begehrt oder innerlich
abgelehnt oder gleichgültig hingenommen wurde. Um die eine oder
andere seelische Verfassung des Täters bei seiner Tat ,,feststellen“
zu können — an sich zweifellos eine Tatfrage —, muß ich mich in
den Täter hineinversetzen können, was zunächst wieder entspre-
chende psychologische Fähigkeiten, persönliche Differenziertheit
und moralische Spannweite voraussetzt und damit die Tatsachen-
feststellung in den Wertungsbereich hinüberspielt, was aber dar-
über hinaus bedingt sein kann durch einen Vergleich mit den Fäl-
len, die vom Gesetz zum Vorsatz bzw. zur Fahrlässigkeit geschlagen
werden, womit sich dann wieder Tatsachenfeststellung und Sub-
sumtion verknüpfen. Der Richter stellt etwa fest: Wenn ein Auto-
fahrer trotz aller Warnungen der Mitfahrer mit einer derartigen
Geschwindigkeit wie hier über die nasse Landstraße jagt und dabei
1 Hierzu wertvoll Rumpf a.a.O. S. 182, 201 ff., z. B. S. 202 und S. 204
Abs. 3; Sigwart, Logik II, 4. Aufl., S. 626ff. S. auch zur „Gegebenheit“ von
Gesinnungen: N. Hartmann, Grundlegung zur Ontologie, S. 206/07.
Karl Engisch:
bereitschaft, ja geradezu vom guten Willen und der moralischen
Toleranz des zur Deutung Berufenen ab1 und damit in ähnlicher
Weise von subjektiven und affektiven Faktoren, wie die Urteile:
dies ist rot, süß, laut, unerträglich usw. von der subjektiven Ver-
fassung und den Wertungen des Urteilenden abhängen. Geht man
von dem Gegensatz von Tatsachenfeststellung und Wertung aus —
den wir allerdings selbst nicht als den entscheidenden bei der Tren-
nung von Tat- und Rechtsfrage angesehen haben, der aber doch
für den Begriff der Tatsachenfeststellung eine Rolle spielt, weil das,
was ausgesprochene Wertung ist, nicht als Tatsachenfeststellung
angesehen werden kann —, so haben wir es in derartigen Fällen
nicht mit reiner Tatsachenfeststellung zu tun. Legen wir aber dem
Unterschied von Tat- und Rechtsfrage den von Feststellung und
Subsumtion an Hand der Rechtsbegriffe zugrunde, so können und
müssen wir weiter sagen: Mit der Deutung kann sich sehr wohl
eine Subsumtion verschlingen. Der Vergleich mit anderen Äuße-
rungen, deren Charakter als Gotteslästerung feststeht, kann es mir
erleichtern, die Art der Sinnesrichtung aufzudecken, die hinter den
Worten steht. Und in jeder Beziehung analog kann es bei der Fest-
stellung einer schuldhaften Willensrichtung stehen. Ob der Täter
mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit gehandelt hat, das kann von dem
Grade der Wahrscheinlichkeit abhängen, mit der er den Erfolg er-
wartet hat, es kann aber auch abhängen von der gefühlsmäßigen
Einstellung zum Erfolg, ob dieser geradezu begehrt oder innerlich
abgelehnt oder gleichgültig hingenommen wurde. Um die eine oder
andere seelische Verfassung des Täters bei seiner Tat ,,feststellen“
zu können — an sich zweifellos eine Tatfrage —, muß ich mich in
den Täter hineinversetzen können, was zunächst wieder entspre-
chende psychologische Fähigkeiten, persönliche Differenziertheit
und moralische Spannweite voraussetzt und damit die Tatsachen-
feststellung in den Wertungsbereich hinüberspielt, was aber dar-
über hinaus bedingt sein kann durch einen Vergleich mit den Fäl-
len, die vom Gesetz zum Vorsatz bzw. zur Fahrlässigkeit geschlagen
werden, womit sich dann wieder Tatsachenfeststellung und Sub-
sumtion verknüpfen. Der Richter stellt etwa fest: Wenn ein Auto-
fahrer trotz aller Warnungen der Mitfahrer mit einer derartigen
Geschwindigkeit wie hier über die nasse Landstraße jagt und dabei
1 Hierzu wertvoll Rumpf a.a.O. S. 182, 201 ff., z. B. S. 202 und S. 204
Abs. 3; Sigwart, Logik II, 4. Aufl., S. 626ff. S. auch zur „Gegebenheit“ von
Gesinnungen: N. Hartmann, Grundlegung zur Ontologie, S. 206/07.