Logische Studien zur Gesetzesanwendung
111
in den Straßengraben fährt und einen Fahrgast tötet, so steckt da-
hinter offenbar dieselbe Frivolität und Gleichgültigkeit fremden
Menschenleben gegenüber, wie wenn ein Jäger auf der Treibjagd bei
einem Schuß die Gefahr, den Treiber zu treffen, mit dem Gedanken
in Kauf nimmt: „Was liegt mir am Treiber!“ Die Feststellung des
Gegebenseins der den dolus eventualis konstituierenden psychischen
Merkmale in ihrer Sobeschaffenheit ist durch einen Vergleich mit
typischen Fällen, evtl, mit „Schulbeispielen“ mitbedingt.
Dreht es sich auf der andern Seite um die Prüfung des Ver-
hältnisses einer konkreten Gegebenheit zu Brauch oder Sitte, so
tauchen ähnliche Schwierigkeiten auf. Es handele sich etwa um
das, wovon wir ausgingen, um das Verhältnis einer konkreten Äuße-
rung, die in bestimmtem Sinne gemeint war, zum Sprachgebrauch.
Ob man überhaupt diesen Sinn in diese Worte hineinlegen kann,
ob man, wenn man dieses ausdrücken will, sich so noch ausdrük-
ken kann, das sind Fragen, die sich zwar weitgehend sprachwissen-
schaftlich an Hand von „Erfahrungssätzen“ beantworten lassen
und die insoweit zur Tatfrage gehören mögen, in deren Behand-
lung aber doch auch persönliche Auffassungen und Wertungen des
Interpreten hineinspielen können, und — was noch wichtiger ist —
für deren Beantwortung auch die Bücksicht darauf maßgebend sein
kann, welche Anforderungen von Rechts wegen an die Deutlich-
keit des Ausdrucks und die Grenzen dieser Deutlichkeit gestellt
werden. Die scheinbar rein tatsächliche Feststellung, daß ein be-
stimmter Gedanke in bestimmten Worten noch seinen mit dem
Sprachgebrauch vereinbaren Ausdruck gefunden habe, ist hier evtl,
doch wieder mitbestimmt durch den Vergleich mit anderen Fällen,
in denen man eine Erklärung als zureichenden Ausdruck bestimm-
ter Gedanken gelten ließ.
In noch höherem Grade stößt man auf die Problematik des
Tatsachenbegriffs und auf eine Verbindung von Tatsachenfeststel-
lung und Wertung oder von Tatsachenfeststellung und Subsum-
tion, die eine reinliche Isolierung der Tatfrage unmöglich macht,
bei der zum Schluß noch zu erwähnenden Anwendung der Ge-
neralklauseln und Ermessensbegriffe. Stellt das Gesetz auf
die Verkehrssitte, auf die „guten Sitten“, auf Brauch und Her-
kommen, auf „gesundes Volksempfinden“ u. dgl. mehr ab, so
könnte man zunächst sehr wohl daran denken, einen tatsächlichen
Kern herausschälen zu sollen: was ist wirklich üblich, was Brauch,
was Herkommen, was Durchschnittsempfinden? Diese Fragen
111
in den Straßengraben fährt und einen Fahrgast tötet, so steckt da-
hinter offenbar dieselbe Frivolität und Gleichgültigkeit fremden
Menschenleben gegenüber, wie wenn ein Jäger auf der Treibjagd bei
einem Schuß die Gefahr, den Treiber zu treffen, mit dem Gedanken
in Kauf nimmt: „Was liegt mir am Treiber!“ Die Feststellung des
Gegebenseins der den dolus eventualis konstituierenden psychischen
Merkmale in ihrer Sobeschaffenheit ist durch einen Vergleich mit
typischen Fällen, evtl, mit „Schulbeispielen“ mitbedingt.
Dreht es sich auf der andern Seite um die Prüfung des Ver-
hältnisses einer konkreten Gegebenheit zu Brauch oder Sitte, so
tauchen ähnliche Schwierigkeiten auf. Es handele sich etwa um
das, wovon wir ausgingen, um das Verhältnis einer konkreten Äuße-
rung, die in bestimmtem Sinne gemeint war, zum Sprachgebrauch.
Ob man überhaupt diesen Sinn in diese Worte hineinlegen kann,
ob man, wenn man dieses ausdrücken will, sich so noch ausdrük-
ken kann, das sind Fragen, die sich zwar weitgehend sprachwissen-
schaftlich an Hand von „Erfahrungssätzen“ beantworten lassen
und die insoweit zur Tatfrage gehören mögen, in deren Behand-
lung aber doch auch persönliche Auffassungen und Wertungen des
Interpreten hineinspielen können, und — was noch wichtiger ist —
für deren Beantwortung auch die Bücksicht darauf maßgebend sein
kann, welche Anforderungen von Rechts wegen an die Deutlich-
keit des Ausdrucks und die Grenzen dieser Deutlichkeit gestellt
werden. Die scheinbar rein tatsächliche Feststellung, daß ein be-
stimmter Gedanke in bestimmten Worten noch seinen mit dem
Sprachgebrauch vereinbaren Ausdruck gefunden habe, ist hier evtl,
doch wieder mitbestimmt durch den Vergleich mit anderen Fällen,
in denen man eine Erklärung als zureichenden Ausdruck bestimm-
ter Gedanken gelten ließ.
In noch höherem Grade stößt man auf die Problematik des
Tatsachenbegriffs und auf eine Verbindung von Tatsachenfeststel-
lung und Wertung oder von Tatsachenfeststellung und Subsum-
tion, die eine reinliche Isolierung der Tatfrage unmöglich macht,
bei der zum Schluß noch zu erwähnenden Anwendung der Ge-
neralklauseln und Ermessensbegriffe. Stellt das Gesetz auf
die Verkehrssitte, auf die „guten Sitten“, auf Brauch und Her-
kommen, auf „gesundes Volksempfinden“ u. dgl. mehr ab, so
könnte man zunächst sehr wohl daran denken, einen tatsächlichen
Kern herausschälen zu sollen: was ist wirklich üblich, was Brauch,
was Herkommen, was Durchschnittsempfinden? Diese Fragen