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Walther Kolbe:
Nennung der Götter erübrigte. Dafür spricht auch der Umstand,
daß die Ankündigung des Festes in Chios die Form der Epangelia
gehabt hat. Ganz eindeutig redet aber die chiische Inschrift in
Z. 13 f. und 24 von einem bestehenden Fest mit der Wendung Sv
συντελοΰσί,ν (τιθ-έασιν) Αίτωλοί. Alle diese Beobachtungen führen zu
dem Ergebnis, daß der athenische und der chiische Beschluß
eine verschiedene Sachlage zum Hintergrund haben. Athen ant-
wortet auf den Beschluß ein neues Fest zu gründen, Chios dagegen
auf die Ankündigung des bestehenden Festes. Damit ist die grund-
sätzliche Frage, um deren Beantwortung wir uns bemühten, ent-
schieden u. zw. im verneinenden Sinne. Die erhaltenen Soterien-
Dekrete sind nicht ausnahmslos Antworten auf die erste Einladung
zum Feste. Fergusons Vorstellung, daß die Aitoler nur einmal
sofort nach der Festgründung die griechischen Gemeinden zur Teil-
nahme aufgefordert hätten und daß dieses Einladungsschreiben ge-
legentlich Jahre hindurch unerledigt geblieben sei, muß endgültig
fallen gelassen werden. Auf der andern Seite haben aber auch
Segre und L. Robert mit der Voraussetzung der Gleichzeitigkeit
nicht Recht behalten. Zum mindesten das Dekret von Chios gehört
einer späteren Zeit an als das von Athen.
Die Beschlüsse von Tenos und der nicht näher bekannten Ky-
klade zeigen untereinander große Ähnlichkeit: Einladung durch
Theoren, Übergabe des Stiftungsbeschlusses der Soterien, Bitte um
Teilnahme an den Opfern und Wettspielen. Die Übereinstimmung
würde eine vollständige sein, wenn es erlaubt ist, im Tenos-Dekret
in Z. 3 nach Maßgabe des Kykladentextes hinter τον άγώνα των
Σωτηρίων den Zusatz einzufügen [Sv τελούνται.]. Die Raumverhält-
nisse geben dazu durchaus die Möglichkeit, denn die Zeile hat ohne
diese Ergänzung nur 59 Zeichen, während es in der Regel deren
61—66 sind. Irgendwelche Gegengründe sind nicht vorhanden.
Durch diesen Zusatz werden die Soterien wieder als bestehendes
Fest charakterisiert, so daß beide Urkunden in eine Reihe mit dem
Chiosdekret gehören.
Nachdem wir so eine Grundlage für die Betrachtung der Sote-
rien gewonnen haben, treten wir an das Dekret von Smyrna heran. Es
wird darauf ankommen festzustellen, ob sich bei ihm die Gleich-
zeitigkeit mit dem athenischen Beschluß irgendwie nach weisen
läßt. Der Lösung dieser Aufgabe stellen sich bei der großen Zer-
störung des Steines besondere Schwierigkeiten entgegen. Denn es
ist nur etwa ein Drittel der Zeilen erhalten, deren Länge auf Grund
Walther Kolbe:
Nennung der Götter erübrigte. Dafür spricht auch der Umstand,
daß die Ankündigung des Festes in Chios die Form der Epangelia
gehabt hat. Ganz eindeutig redet aber die chiische Inschrift in
Z. 13 f. und 24 von einem bestehenden Fest mit der Wendung Sv
συντελοΰσί,ν (τιθ-έασιν) Αίτωλοί. Alle diese Beobachtungen führen zu
dem Ergebnis, daß der athenische und der chiische Beschluß
eine verschiedene Sachlage zum Hintergrund haben. Athen ant-
wortet auf den Beschluß ein neues Fest zu gründen, Chios dagegen
auf die Ankündigung des bestehenden Festes. Damit ist die grund-
sätzliche Frage, um deren Beantwortung wir uns bemühten, ent-
schieden u. zw. im verneinenden Sinne. Die erhaltenen Soterien-
Dekrete sind nicht ausnahmslos Antworten auf die erste Einladung
zum Feste. Fergusons Vorstellung, daß die Aitoler nur einmal
sofort nach der Festgründung die griechischen Gemeinden zur Teil-
nahme aufgefordert hätten und daß dieses Einladungsschreiben ge-
legentlich Jahre hindurch unerledigt geblieben sei, muß endgültig
fallen gelassen werden. Auf der andern Seite haben aber auch
Segre und L. Robert mit der Voraussetzung der Gleichzeitigkeit
nicht Recht behalten. Zum mindesten das Dekret von Chios gehört
einer späteren Zeit an als das von Athen.
Die Beschlüsse von Tenos und der nicht näher bekannten Ky-
klade zeigen untereinander große Ähnlichkeit: Einladung durch
Theoren, Übergabe des Stiftungsbeschlusses der Soterien, Bitte um
Teilnahme an den Opfern und Wettspielen. Die Übereinstimmung
würde eine vollständige sein, wenn es erlaubt ist, im Tenos-Dekret
in Z. 3 nach Maßgabe des Kykladentextes hinter τον άγώνα των
Σωτηρίων den Zusatz einzufügen [Sv τελούνται.]. Die Raumverhält-
nisse geben dazu durchaus die Möglichkeit, denn die Zeile hat ohne
diese Ergänzung nur 59 Zeichen, während es in der Regel deren
61—66 sind. Irgendwelche Gegengründe sind nicht vorhanden.
Durch diesen Zusatz werden die Soterien wieder als bestehendes
Fest charakterisiert, so daß beide Urkunden in eine Reihe mit dem
Chiosdekret gehören.
Nachdem wir so eine Grundlage für die Betrachtung der Sote-
rien gewonnen haben, treten wir an das Dekret von Smyrna heran. Es
wird darauf ankommen festzustellen, ob sich bei ihm die Gleich-
zeitigkeit mit dem athenischen Beschluß irgendwie nach weisen
läßt. Der Lösung dieser Aufgabe stellen sich bei der großen Zer-
störung des Steines besondere Schwierigkeiten entgegen. Denn es
ist nur etwa ein Drittel der Zeilen erhalten, deren Länge auf Grund