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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0008
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Gustav Hölscher

Verstorbenen ihr dunkles Schattendasein führen (Gen 3735 1. Sam
28]4). Der Name Se’öl ist weiblichen Geschlechts und wird stets
aitikellos gebraucht, weist also zuri'ck auf einen Eigennamen, den
Namen einer Göttin der Erdentiefe, die zugleich Erdgöttin und To-
tengottheit gewesen sein wird. Auch d^ese Gestalt gehört also in
den Vorstellungskreis des Ackerbauers.
Se’öl ist für den Israeliten kein dritter Weltteil neben Himmel und
Erde; Himmel und Erde bilden das Ganze der Welt. Diese umfaßt
für ihn Götter und Menschen. Denn auch auf Erden haben die Göt-
ter ihre Wohnung, die Baale des Landes, in deren Erbe Jahve ein-
getreten ist; auch sie sind vielfach Gottheiten der Erdentiefe. Des
Menschen Dasein dagegen ist auf die Erde, das ,,Land der Lebendi-
gen,“ beschränkt; auch sein Leichnam wird in dieser Erde bestat-
tet; nur die Schatten der Toten (refä’im) steigen nach Se’öl hinunter,
von wo man sie als mächtige ,,Götter“, di manes (1. Sam 2813), her-
aufbeschwören mag. Zum Himmel emporzusteigen, ist den Men-
schen verwehrt. Einst, so erzählt die Sage, wollten die Menschen ei-
nen Turm bauen, dessen Spitze bis zum Himmel reichen sollte, aber
Jahve stieg TTom Himmel nieder und hinderte die Übermütigen.
Vom Baume des Lebens zu essen, blieb dem Menschen versagt; aus
dem Gottesgarten im Osten, in dem der Urmensch ein glückliches
Leben führte, ward er verstoßen.
Das Weltbild, wie es hier beschrieben ist, ist das der älteren is-
raelitischen Literatur. Die jüngeren Schriften, etwa vom Ende der
Königszeit ab, bieten ihr gegenüber ein neues Gesicht. An Stelle der
Zweiteilung von Himmel und Erde tritt eine Dreiteilung in Himmel,
Erde und Wassertiefe. Das ältere Weltbild wirkt zwar in Vorstellung
und Sprachgebrauch weiterhin nach, aber das Beherrschende ist
fortan das Bild der dreiteiligen Welt, wie wir sie als babylonische
Weltvorstellung kennen1. Ex 204 (Dt 58) verbietet, ein Bildnis zu
machen von dem, „was im Himmel droben, was auf Erden drunten
und was im Wasser unter der Erde ist“2. Dasselbe Verbot gilt Dt
417_18 von „allen Tieren auf Erden, allen Vögeln, die am Himmel
fliegen, allem Gewürm auf dem Ackerboden, allen Fischen, die im
1 Vgl. P. Jensen, Die Kosmologie der Babylonier, 1890.
2 In rhythmisch-dichterischer Rede kombiniert man auch Himmel und
Erde, Meere und alle Fluten, tehömöt (Ps 1356), Himmel, Erde, Meer und Trok-
kenes (Hagg26), Himmel, Sche’öl, Erde und Meer (lob lls_Im Jubiläen-
buche wird „Licht und Finsternis“ noch hinzugefügt (22. 16 514).
 
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