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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0038
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Gustav Hölscher

(Chäwilä, Küs) bestimmt, denkt auch liier an nichts anderes, als an
das, was ’Assür überall im Alten Testament bedeutet, an das Land
Assyrien. Das eigentliche Assyrien lag zwar wesentlich auf der Ost-
seite des Tigris; aber der Name ’Assür bat durch die Eroberungen der
assyrischen Könige im 8. Jahrhundert, wenigstens im Sprachgebrau-
ch e der Ausländer1, eine Ausdehnung erhalten, nach der das ganze
Land bis zum Euphrat als ’Assür betrachtet wird. So geschieht es
überall in der hebräischen Literatur, z. B. bei Jesaja, bei dem ’As-
sür „das am Euphrat gedungene Schermesser“ (72ο) oder „das große
Wasser des Euphrats“ (87) heißt, ebenso wie bei Jeremia, der die
Verbindung Judas mit Ägypten und ’Assür mit dem Trinken des Nil-
wassers und des Euphratwassers vergleicht (2lg)2. Diesen Umfang
hatte das Assyrerreich seit der Zeit Assurnasirpals II. im 9. Jahr-
hundert erhalten, welcher, abgesehen von Bet Edin, die gesamten
Landschaften vom Euphrat bis zu den Randgebirgen jenseits des
Tigris und bis zur Grenze Babyloniens zu einem einheitlichen Assy-
rerreiche zusammenschweißte3. Bei Herodot (III 92) ist das untere
Euphrat- und Tigrisland Βαβυλών καί ή λοιπή Ασσυρία; Συρία heißt
daher bei den Griechen das ganze Gebiet bis zum Mittelmeer.
Wenn qidmat ’Assür „östlich von ’Assür“ bedeutet, so liegt der
Ursprung des Euphrats und des Tigris für den Verfasser im Norden,
und ihr Lauf geht, wie auf der neubabylonischen Karte, in der Rich-
tung von Norden nach Süden4. Gleichen Ursprungs sind für den he-
bräischen Erzähler auch zwei andere Ströme, die seiner Vorstellung
nach weiter östlich laufen; denn die Reihenfolge, in der die vier Strö-
me aufgezählt werden, soll zweifellos eine geographische sein5. Aber
1 Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie, 1878, § 138.
2 Ebenso 2. Reg 176 18n, wo die Deportation der Israeliten ,.nach ’As-
sür“ sich auf Gebiete sowohl Mesopotamiens wie des Landes östlich vom Tigris
bezieht (vgl. auch 2. Reg 1923 Hos 93 106). Mich 712, wo die Entfernung von
Ägypten bis ’Assür bestimmt wird, heißt es „von Ägypten bis zum, (Euphrat)-
ström“. 3 En. Meyer, Gesell, d. Altert. II 22, S. 401.
4 Man darf also den Lauf der vier Ströme nicht so rekonstruieren, wie es
Th. Menke 1868 auf seiner Karte tut (vgl. H. Guthe, Bibelatlas , 1926, Tafel
6a Nebenkarte), der sie im Osten entspringen und Euphrat und Tigris in krum-
mem Bogen nach Südost umbiegen läßt.
5 Diese Reihenfolge ignoriert Τη. Μενκθ auf seiner Kartenkonstruktion;
ebenso Friedr. Delitzsch a.a.O., nach dessen Identifikation der Paradies-
ströme mit den südbabylonischen Strömen und Kanälen die Reihenfolge lau-
ten müßte: Tigris, Gichön, Euphrat, Pison. S. Mowinckel (De fire Para-
diselvene, in: Norsk Teologisk Tidskrift, 1938, Η. 1) scheint mir auf S. 58f. die
Namen Pison und Gichön versehentlich zu vertauschen.
 
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