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Hölscher, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1944/48, 3. Abhandlung): Drei Erdkarten: ein Beitrag zur Erdkenntnis des hebräischen Altertums — Heidelberg, 1949

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https://doi.org/10.11588/diglit.42185#0043
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Die vier Paradiesströme

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Schaft in Babylonien und weiterhin als Erbauer von Groß-Ninive in
Assyrien betrachtet wird. Es ist ersichtlich, daß für den Verfasser
Küs (Äthiopien) sich weit nach Osten hin erstreckt und an Baby-
lonien angrenzt. Dieser eigentümlichen Vorstellung mag, wie man
vielleicht mit Recht vermutet hat, eine dunkle geschichtliche Erin-
nerung an die alten Kossäer (Κοσσαΐοι, assyr. Kassu) zugrunde liegen,
die um 1750 Babylonien eroberten und es 576 Jahre lang beherrsch-
ten; die Völker des Westens mögen diese asiatischen Kassu früh mit
den afrikanischen Küs zusammengeworfen haben. Aber diese Frage
ist in unserem Zusammenhänge gleichgültig; für den Verfasser von
Gen 108> 10_12 wie für den von Gen 210_14 ist Küs kein anderes Volk
als das wohlbekannte afrikanische.
Um zusammenzufassen, zeigt die Erdkarte des Erzählers von
Gen 210_14 folgende Gestalt:
Die Erde, oder wie es allgemeine Vorstellung der Alten ist, die
rings vom Ozean umgebene Erdinsel, ist im Norden durch ein hohes
Gebirge, das Gebirge Armeniens, begrenzt. Dort berührt sich die
Welt der Menschen mit dem Wohnsitz der Gottheit, dem Garten
'Eden, in dem einst das Urmenschenpaar lebte. Ein Strom bewäs-
sert den Garten; er teilt sich bei seinem Austritt aus dem Garten in
vier gewaltige, nach Süden fließende Ströme, Euphrat, Tigris,
Choaspes und Eulaios. Die beiden ersteren kennt der Verfasser mit
ihren wirklichen Namen; den ersteren braucht er nicht einmal sei-
ner Lage nach näher zu bestimmen. Von den zwei anderen hat er nur
dunkle Kunde; er weiß ihre einheimischen Namen nicht, sondern
gibt ihnen künstlich erfundene Namen, Glchön und Pisön. Er weiß
auch nicht, daß sie ins Meer, — den Persischen Meerbusen —, mün-
den, wie er überhaupt vom südlichen Ozean keine Ahnung hat. Über
den Arabischen Meerbusen wußte der hebräische Gelehrte natürlich
Bescheid, aber die Hebräer kannten nur dessen nördliche Hälfte mit
den Buchten von Sues und 'Aqaba, die sie als „Schilfmeer“ bezeich-
neten. Die Durchfahrt zum Indischen Ozean war ihnen unbekannt,
wie auch die alten Ägypter mit ihren Schiffen nicht über die Straße
von Perim hinausgekommen sind. Die berühmte Umseglung Afrikas
durch die Phöniker unter Necho II. um 600 bleibt hier außer Be-
tracht und ist jedenfalls für die geographischen Vorstellungen der
Hebräer ohne Bedeutung gewesen.
Über Arabien (Chäwilä) und Küs reicht der Blick des Erzählers
nicht hinaus, und seine Vorstellungen über diese südlichen Gebiete
sind unklar. Bemerkenswert ist, daß Ägypten und der Nilstrom ganz
 
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