Vom mittelalterlichen Zitieren
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erlauben, diesen Darlegungen einen ,Exkurs4 anzuhängen, der weiter
zeigen mag, wie sehr doch die Datierung des Nibelungenliedes wie
der Klage von der richtigen Beurteilung der hier obwaltenden Ver-
hältnisse abhängt.
In den beiden bisher von uns behandelten Fällen hat Wolfram
mit dem zitierten Texte geistreich und witzig gespielt. Ich füge ein
weiteres Zitat aus dem Parzival an, wo dieser Gesichtspunkt weg-
fällt, das Zitat aber gleichwohl sich inhaltlich weitgehend von dem
zitierten Texte entfernt.
Im 9. Buche des Parzival erzählt der Einsiedler Trevrezent,
Bruder des Gralkönigs Amfortas, auf wie verschiedene Weise man
versucht habe, den Gralkönig von seiner quälenden Wunde zu
heilen. Nachdem vieles schon fehlgeschlagen war, griff man zu
einem letzten Mittel 481, 30:
Do gewunne wir daz selbe ns,
dar üf Sibille jach
Eneas für hellesch ungemach
und für den Flegetones rouch,
für ander flüzze, die drinne fliezent ouch.
des nämen wir uns muoze
und gewunnen daz ns ze buoze,
ob daz sper ungehiure
in dem helleschen fiure
wsere gelüppet oder gelistet,
daz uns an fröuden tostet.
,,Da verschafften wir uns das Reis, auf das Sibille den Eneas
verwies als Schutz gegen höllisches Ungemach und gegen den Rauch
des Flegeton und anderer Höllenflüsse. Wir bemühten uns darum
anhaltend, dies Heilmittel zu gewinnen für den Fall, daß etwa der
unheimliche Speer im Feuer der Hölle giftig und hart gemacht
worden wäre, der unsere Freude tötete.“
Wolfram zieht hier eine Stelle aus der Eneit (V. 2777 ff.) des
von ihm auch anderweit genannten Heinrich von Veldeke an. Dort
ist in der Tat von diesem Reis, wie vom Flegeton und anderen Höl-
lenflüssen die Rede, aber Wolframs sonstige Angaben stimmen
keineswegs zu dem von Veldeke Erzählten. Denn bei diesem
schützt das Reis weder gegen den Rauch der Flüsse noch gegen son-
stiges höllisches Ungemach; es ist vielmehr ein bloßes wdrteiken
(3331), gegen dessen Vorweisung Charo den Eneas in seinen Kahn
aufnimmt. Gegen den hellisken steine und rouch dagegen schützt
den Helden ein krüt, das er essen muß, und gegen das hellefure eine
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erlauben, diesen Darlegungen einen ,Exkurs4 anzuhängen, der weiter
zeigen mag, wie sehr doch die Datierung des Nibelungenliedes wie
der Klage von der richtigen Beurteilung der hier obwaltenden Ver-
hältnisse abhängt.
In den beiden bisher von uns behandelten Fällen hat Wolfram
mit dem zitierten Texte geistreich und witzig gespielt. Ich füge ein
weiteres Zitat aus dem Parzival an, wo dieser Gesichtspunkt weg-
fällt, das Zitat aber gleichwohl sich inhaltlich weitgehend von dem
zitierten Texte entfernt.
Im 9. Buche des Parzival erzählt der Einsiedler Trevrezent,
Bruder des Gralkönigs Amfortas, auf wie verschiedene Weise man
versucht habe, den Gralkönig von seiner quälenden Wunde zu
heilen. Nachdem vieles schon fehlgeschlagen war, griff man zu
einem letzten Mittel 481, 30:
Do gewunne wir daz selbe ns,
dar üf Sibille jach
Eneas für hellesch ungemach
und für den Flegetones rouch,
für ander flüzze, die drinne fliezent ouch.
des nämen wir uns muoze
und gewunnen daz ns ze buoze,
ob daz sper ungehiure
in dem helleschen fiure
wsere gelüppet oder gelistet,
daz uns an fröuden tostet.
,,Da verschafften wir uns das Reis, auf das Sibille den Eneas
verwies als Schutz gegen höllisches Ungemach und gegen den Rauch
des Flegeton und anderer Höllenflüsse. Wir bemühten uns darum
anhaltend, dies Heilmittel zu gewinnen für den Fall, daß etwa der
unheimliche Speer im Feuer der Hölle giftig und hart gemacht
worden wäre, der unsere Freude tötete.“
Wolfram zieht hier eine Stelle aus der Eneit (V. 2777 ff.) des
von ihm auch anderweit genannten Heinrich von Veldeke an. Dort
ist in der Tat von diesem Reis, wie vom Flegeton und anderen Höl-
lenflüssen die Rede, aber Wolframs sonstige Angaben stimmen
keineswegs zu dem von Veldeke Erzählten. Denn bei diesem
schützt das Reis weder gegen den Rauch der Flüsse noch gegen son-
stiges höllisches Ungemach; es ist vielmehr ein bloßes wdrteiken
(3331), gegen dessen Vorweisung Charo den Eneas in seinen Kahn
aufnimmt. Gegen den hellisken steine und rouch dagegen schützt
den Helden ein krüt, das er essen muß, und gegen das hellefure eine