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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0019
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Vom mittelalterlichen Zitieren

19

zin anderhalp ame glase
geleichet und des blinden troum.
die gebent antlützes roum,
doch mac mit staste niht gesin
dirre triiebe Khte schin:
er machet kurze fröude alwär.
Man sieht, von einem Vergleiche mit dem Winde ist da keine Rede,
dafür aber der Traum eingeschränkt auf den Traum des Blinden.
Nach dem, was wir bisher über mittelalterliches Zitieren beobachtet
haben, werden wir gleichwohl keinen Zweifel hegen, daß hier der
Parzival zitiert ist, mag der Spruch von Walther herrühren oder
nicht.
Ein anderer Fall. Reinmar von Zweter hat (No. 194 der Aus-
gabe von G. Roethe 1887, S. 508) folgenden Spruch:
Der hof hat drier hande diet:
gehoft unt ungehoft, verhaft: der mir diu driu beschiet,
der bat mich, daz ich wsere bi den gehoften gerne zaller stunt.
Er sprach: „Mac es niht rät gesi,
sö volge miner lere unt wis den ungehoften bi
e dan den gar verhoften : verhoft dem ist wol valschez tiuschen kunt.
Verhoft daz leckert zeteslichen stunden:
sost ungehoft mit schäme doch gebunden,
verhoft e der dan wolte vrägen,
er taste e missewende dri:
so muoz doch jener in schämen si,
ern welle dan dekeiner eren lägen“.
„Der Hof hat dreierlei Volk: gehoft, ungehoft und verhoft. Der
mir diese Teilung in drei Klassen auseinandersetzte, forderte mich
auf, mich jederzeit zu den Gehoften zu halten. Er sprach: „Sollte
das unmöglich sein, so folge meiner Lehre und halte dich lieber zu
den Ungehoften als zu den völlig Verhoften. Verhoft ist auf Falsch-
heit und Betrug aus. Verhoft würde, ohne zu fragen, drei Schel-
mereien begehen. Der Ungehofte aber würde sich dessen schämen,
es sei denn, daß er ganz auf ehrenhafte Haltung verzichte.“
Das Gedicht bezieht sich, wie schon von der Hagen gesehen hat
(HMS 4, 505), auf einen Walther (von der Vogelweide?) in den
Mund gelegten Spruch (Lachmanns Waltherausgabe 148, 16ff.,
nicht erst 150, 76ff.), wo die drei Kategorien aufgestellt werden und
Walther die Entscheidung zwischen ungehoft und verhoft abgefor-
dert wird; er entscheidet sich dabei zugunsten der Ungehoften.
Reinmars Zitat trifft wohl inhaltlich mit dem Zitierten zusammen,
im einzelnen der Formulierung aber ist es ganz frei. Dazu identifi-

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