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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0021
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Vom mittelalterlichen Zitieren

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beim Auftreten des uns vorher begegneten Liddamus Parz. 416, 18:
dö stuont da einer des küneges man, der was geheizen Liddamus.
Kyöt in selber nennet sus. Der Name stammt aber in Wahrheit aus
dem Polyhistor des Solinus, vgl. J. Lichtenstein, Zur Parzival-
frage PBB 22, 73ff., E. Martin, Zur Gralsage 1880, S. 5; W.Golther,
Parzival u. der Gral 1925, S. 136ff.; B. Mergell, Wolfram v. E.
und seine französischen Quellen II, 1943, S. 171 f. Spielerischer
sind die Berufungen 453,5 ff. ,,Kiot hat mir verboten, früher von den
Geheimnissen des Grals zu sprechen“ und 827, lff. ,,Kiot hat An-
laß, Chrestien zu zürnen ob seiner abweichenden Darstellung“.
Das tollste Zitat solcher Art hat Wolfram sich im Willehalm
125, 20 geleistet:
Cristjans ein alten tymit
im hat ze Munleun an gelegt;
da mit er sine tumpheit regt,
swer sprichet so nach wäne.
„Chrestien hat ihm (Willehalm) in Munleun einen alten Wollrock
angezogen; wer so ins Blaue hineinredet, bezeigt damit seine Ein-
falt“.
Das ist eine Polemik gegen die von Wolfram für den Willehalm
benutzte Quelle, die Bataille d’Aliscans, wo es V. 2343 von Guil-
laume heißt, da er in Laon auftritt: si a vestu un mauvais siglaton.
Wolfram hat zunächst den siglaton in tymit, einen aus doppelfädi-
ger Wolle gewebten Stoff, griechisch dimitos, verwandelt, vermut-
lich angeregt durch V. 2283 der Bataille, in dem gesagt ist, Guil-
laume habe einen hauberc doublier, einen doppelstarken Halsherg
getragen. Die Angabe aber, sagt Wolfram, sei unrichtig, denn
Willehalm sei in Laon ja in der herrlichen Rüstung des getöteten
Perserkönigs Arofel erschienen, und einem Waffenrocke, der aus den
kostbarsten Stoffen gefertigt war. Wieder ist die Formulierung,
die Wolfram dem Zitate gibt, lebendig, persönlich, geistreich spöt-
tisch, indem er sagt, Kristian habe Willehalm den schlechten Rock
angezogen. Toll aber ist, daß Wolfram als Verfasser der getadelten
Vorlage, bestimmt wider besseres Wissen, Cristjans nennt, d. h.
Chrestien de Troyes. Diese Wendung des Zitierten setzt die Polemik
gegen Chrestien fort, die schon der Schluß des Parzival geboten hat,
nur daß der Tadel des Franzosen dort, wie wir eben schon gehört
haben, dem erfundenen Kiot in den Mund gelegt ist. Chrestien de
Troyes, der Begründer der französischen Artusepik, hat in Wahrheit
natürlich nie eine Chanson de geste wie die Bataille d’Aliscans ge-
 
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