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Panzer, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1949/50, 2. Abhandlung): Vom mittelalterlichen Zitieren — Heidelberg, 1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.42217#0030
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Friedrich Panzer

tung zu genauer, treuer Wiederholung des Vorbildes. Wie in den
Texthss. die Sprache selbstverständlich vom Schreiber in die ihm
nach Zeit und Mundart geläufigen Formen übertragen wird, so gibt
der Maler seinen Figuren Tracht und Bewaffnung, Haltung und
Bewegung, den Bauten und Gegenständen die Stilform und Per-
spektive, der mitgeschilderten Natur das Sehbild nach Brauch,
Mode und Ausmaß seiner Zeit. Ich gehe einen Beleg aus der Über-
lieferung des deutschen Minnesangs. Ich zeige Ihnen aus der Manes-
sischen Hs. das Bild, das den Liedern des Schenken von Limburg
vorgesetzt ist, und daneben das sog. Troß’sche Bruchstück. Ich
habe früher (Die Manessische Liederhandschrift Faksimileausgabe,
Einleitungen 1929, S. 66 ff.) an geAvissen Eigentümlichkeiten seines
Textes nachweisen können, daß es unmittelbar aus der Manessischen
Hs. abgeschrieben ist. Sie sehen die weitgehenden Freiheiten, die
sich der Maler im beschriebenen Sinne gestattet hat.
Das gleiche könnte für viele andere Illustrationskreise gezeigt
werden, z. B. die Überlieferung des Welschen Gastes, aus der von
14 Hss. 10 eine Bilderreihe zeigen, die nach Auswahl und Folge
gleichmäßig wiederkehrt, in den Einzelheiten aber von Hs. zu Hs.
bedeutende Abweichungen zeigt. Ähnliches gilt von Prosawerken
wie den Weltchroniken, den Sachsenspiegel-hss. usw. Es ist zu be-
dauern, daß in den philologischen Untersuchungen in Deutschland
wie in Frankreich, dort z. B. hei den illustrierten Trouhadurhss., für
die Festlegung des Hss.-Verhältnisses die Untersuchung der Bild-
wiedergaben vielfach überhaupt nicht oder ungenügend heran-
gezogen Avurde, obwohl man bei den illustrierten Troubadurhss.
z. B. — ich habe sie mit einer Ausnahme alle in Händen gehabt und
mit Muße studieren können — öfter an den Bildern schon aus der
Entfernung erkennen kann, was da zusammengehört und Avas nicht.
Wichtiger noch als das bisher Erwähnte sind aber andere, tiefer
greifende Läßlichkeiten. Schreiber und Maler sind bei den illu-
strierten Hss. ja in aller Regel nicht identisch. Man traute und
mutete aber den Malern nicht zu, daß sie die umfangreichen Texte
so genau läsen, daß sie dies und jenes, oft auf verwickelten Voraus-
setzungen ruhende, angemessen hätten darstellen können. Infolge-
dessen gab der Schreiber, wenn er Platz ließ für ein anzubringendes
Bild, am Rande oder innerhalb des Bildraumes, wo es dann übermalt
wurde, Anweisungen für den Maler, Avas er darzustellen habe. Die
Anweisungen sind manchmal nicht, wie es hätte geschehen sollen,
wegradiert worden, und wir können dann vielfach feststellen, daß
 
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