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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1951, 2. Abhandlung): Polykarp von Smyrna und die Pastoralbriefe — Heidelberg, 1951

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https://doi.org/10.11588/diglit.42220#0006
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Hans Frhr. v. Hampenhausen

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sönlichkeiten in Vorschlag zu bringen, die für uns nicht viel mehr als
einen Namen bedeuten und die nur durch die Verbindung mit der
namenlosen Urkunde überhaupt Leben und Gesicht gewinnen wür-
den. Die Pastoralbriefe enthalten trotz ihres pseudepigraphischen
Charakters bestimmte Hinweise auf die Herkunft, die Eigenart und
die Absichten ihres Verfassers, die sich nicht übersehen lassen und
eine ganze Reihe von Namen von vornherein ausschließen2. Ande-
rerseits ist Polykarp für uns ganz und gar kein Unbekannter; er ist
vielmehr die einzige historisch fest umrissene, auch literarisch faß-
bare kirchliche Persönlichkeit von Rang, die in dem fast ein Jahr-
hundert währenden Zeitraum zwischen dem Verschwinden des Pau-
lus und dem Auftauchen Justins deutlich erkennbar ist3, und wir
wissen auch, daß er in der in Frage stehenden Zeit eine hervorra-
gende, in vieler Hinsicht maßgebende und entscheidende kirchliche
Rolle gespielt hat. Es lohnt sich also, der Frage einer möglichen
Verfasserschaft Polykarps, wenn sie sich wahrscheinlich machen
läßt, energisch nachzugehen. Und selbst wenn man Polykarp, wie
wir noch sehen werden, als den gesuchten Autor nicht völlig
dingfest machen kann, muß der Nachweis des engen geschichtlichen
und sachlichen Zusammenhangs, den wir zu erbringen hoffen, dem
neutestamentlichen Exegeten und vor allem dem Historiker der
alten Kirche sehr willkommen sein. Denn er läßt gewisse Dinge und
Verhältnisse klarer, lebendiger und eindringlicher sehen als bisher4.
2 Dies hatte Schleiermacher nicht genügend beachtet, wenn er in seinem
Sendschreiben an Gaß „über den sogenannten ersten Brief des Paulus an Timo-
theos“ (1807) kurzweg erklärte: „Was die Person des Verfassers betrifft, so wäre
es wohl lächerlich, etwas darüber festsetzen zu wollen“. Aber H. J. Holtzmann,
Die Pastoralbriefe (1880) 274 und die meisten kritischen Forscher scheinen ihm
darin wie selbstverständlich beizupflichten.
3 Man könnte noch auf Ignatios verweisen. Aber über Ignatios wissen wir doch
nichts weiter als das, was seine sieben echten Briefe verraten. Die näheren Angaben
über sein Martyrium sind legendarisch, und über sein früheres Leben und die Rolle,
die er in Antiochien gespielt haben mag, sind überhaupt nur Vermutungen möglich.
In größerem kirchlichem Raum scheinen nur die Briefe gewirkt zu haben, und daß
diese erhalten blieben, war allem Anschein nach der Initiative Polykarps zu ver-
danken: Pol. Phil. 13, 2; vgl. A. v. Harnack, Die Briefsammlung des Apostels Pau-
lus und die anderen vorkonstantinisclien Briefsammlungen (1926) 28ff. — Der römi-
sche Prophet Hermas ist nur durch seine Apokalypse von Einfluß gewesen, die
durchaus keine originelle und überragende Persönlichkeit erkennen läßt. Die belang-
losen biographischen Angaben, die sie enthält, sind überdies in ihrer Echtheit fraglich.
4 Ich beschränke mich in der vorliegenden Untersuchung auf den einfachen
Nachweis der Beziehungen und stelle ihre Auswertung im Rahmen der alten Kir-
chengeschichte zurück.
 
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