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Heinrich Bornkamm
bei der Durchsicht verfertigt. Das würde die Behauptung des Bischofs Lin-
danus und der Brüsseler Kanzlei, das Original sei von Melanchthons Hand
geschrieben wenigstens für einen Teil stützen49. Mit vielen dieser Änderun-
gen weicht Melanchthon vom deutschen Text des Bekenntnisses ab, ohne
sie etwa dort nachzutragen. Das unterstreicht, daß für ihn selbst offenbar
der lateinische Text der wichtigere und ihm gemäßere war, erhärtet aber
zugleich auch die vielfach zu belegende Tatsache, daß beide Texte oft rela-
tiv unabhängig voneinander formuliert sind50. Es gibt zwischen ihnen auch
keine feste Reihenfolge, wenn auch überwiegend der lateinische Text die
Vorlage bildet. Diese von unserer Auffassung einer Urkunde so weit ab-
weichende Freiheit im Umgang mit den Texten stimmt mit der Art über-
ein, mit der Melanchthon auch später die beiden gedruckten Bekenntnisse
von Auflage zu Auflage verändert hat.
Das Studium der zahlreichen kleinen und kleinsten Verbesserungen
zeigt sehr anschaulich, wie viel Glanz Melanchthon seinem Werk noch
durch die letzte Überarbeitung aufzusetzen verstanden hat51. So haben wir
gegenüber dem Textus receptus des Konkordienbuchs, das mangels geeig-
neter handschriftlicher Vorlagen die Editio princeps von 1531 zugrunde
gelegt hatte, und dem auf den Handschriften der Unterzeichner aufge-
bauten Text der Kritischen Ausgabe von Tschackert (1901) jetzt nicht nur
die historische, dem Original entsprechende, sondern auch eine in vielen
Punkten schönere Textform vor uns. Die inneren Vorzüge hätten, wenn
man ihnen Beachtung geschenkt hätte, längst schon die Entscheidung zu-
gunsten dieses Textes herbeiführen können. Er lag, wenn auch mit man-
chen Fehlern belastet, in der Druckausgabe von Fabricius seit 1573 und in
den beiden miteinander verwandten Handschriften W und R seit Förste-
manns Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg 1530
(2 Bde. 1833/35) vor. Aber die zahlreichen kleinen Fehler dieser Texte
machten blind für ihren Wert, obwohl die Zitate in der Erstgestalt der
katholischen Confutatio52 schon zu einer genauen Überprüfung hätten
Anlaß geben können. Um so erfreulicher ist es, daß jetzt nicht mehr nur
40 s. o. S. 8
50 Für das dogmatisch besonders wichtige Beispiel des Art. X vgl. Wilh. Maurer,
Zum geschichtlichen Verständnis der Abendmahlsartikel in der Confessio Au-
gustana. Festsdhr. für Gerhard Ritter (1950), S. 161ff.
51 Ähnlich wie er sich hier selbst korrigiert hat, ist Melanchthon sicherlich auch mit
Texten anderer verfahren, auch mit solchen Luthers. K. A. Meißinger hat wohl
mit Recht vermutet, daß Melanchthon die Druckausgabe von Luthers Galater-
kommentar (1519) stilistisch überarbeitet hat. Meißinger hat im Vergleich mit
der Nachschrift von Luthers Galatervorlesung von 1516/17 eine Liste von Ver-
besserungen zusammengestellt (WA 57, Gal. XVIIL), die das gleiche Bild zeigt
wie der endgültige CA-Text im Vergleich mit den früheren. Durch eine plan-
mäßige Beobachtung der dabei verwandten Stilmittel wird man wahrscheinlich
noch in anderen Schriften Luthers die glättende Fland Melanchthons feststellen
können.
Heinrich Bornkamm
bei der Durchsicht verfertigt. Das würde die Behauptung des Bischofs Lin-
danus und der Brüsseler Kanzlei, das Original sei von Melanchthons Hand
geschrieben wenigstens für einen Teil stützen49. Mit vielen dieser Änderun-
gen weicht Melanchthon vom deutschen Text des Bekenntnisses ab, ohne
sie etwa dort nachzutragen. Das unterstreicht, daß für ihn selbst offenbar
der lateinische Text der wichtigere und ihm gemäßere war, erhärtet aber
zugleich auch die vielfach zu belegende Tatsache, daß beide Texte oft rela-
tiv unabhängig voneinander formuliert sind50. Es gibt zwischen ihnen auch
keine feste Reihenfolge, wenn auch überwiegend der lateinische Text die
Vorlage bildet. Diese von unserer Auffassung einer Urkunde so weit ab-
weichende Freiheit im Umgang mit den Texten stimmt mit der Art über-
ein, mit der Melanchthon auch später die beiden gedruckten Bekenntnisse
von Auflage zu Auflage verändert hat.
Das Studium der zahlreichen kleinen und kleinsten Verbesserungen
zeigt sehr anschaulich, wie viel Glanz Melanchthon seinem Werk noch
durch die letzte Überarbeitung aufzusetzen verstanden hat51. So haben wir
gegenüber dem Textus receptus des Konkordienbuchs, das mangels geeig-
neter handschriftlicher Vorlagen die Editio princeps von 1531 zugrunde
gelegt hatte, und dem auf den Handschriften der Unterzeichner aufge-
bauten Text der Kritischen Ausgabe von Tschackert (1901) jetzt nicht nur
die historische, dem Original entsprechende, sondern auch eine in vielen
Punkten schönere Textform vor uns. Die inneren Vorzüge hätten, wenn
man ihnen Beachtung geschenkt hätte, längst schon die Entscheidung zu-
gunsten dieses Textes herbeiführen können. Er lag, wenn auch mit man-
chen Fehlern belastet, in der Druckausgabe von Fabricius seit 1573 und in
den beiden miteinander verwandten Handschriften W und R seit Förste-
manns Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg 1530
(2 Bde. 1833/35) vor. Aber die zahlreichen kleinen Fehler dieser Texte
machten blind für ihren Wert, obwohl die Zitate in der Erstgestalt der
katholischen Confutatio52 schon zu einer genauen Überprüfung hätten
Anlaß geben können. Um so erfreulicher ist es, daß jetzt nicht mehr nur
40 s. o. S. 8
50 Für das dogmatisch besonders wichtige Beispiel des Art. X vgl. Wilh. Maurer,
Zum geschichtlichen Verständnis der Abendmahlsartikel in der Confessio Au-
gustana. Festsdhr. für Gerhard Ritter (1950), S. 161ff.
51 Ähnlich wie er sich hier selbst korrigiert hat, ist Melanchthon sicherlich auch mit
Texten anderer verfahren, auch mit solchen Luthers. K. A. Meißinger hat wohl
mit Recht vermutet, daß Melanchthon die Druckausgabe von Luthers Galater-
kommentar (1519) stilistisch überarbeitet hat. Meißinger hat im Vergleich mit
der Nachschrift von Luthers Galatervorlesung von 1516/17 eine Liste von Ver-
besserungen zusammengestellt (WA 57, Gal. XVIIL), die das gleiche Bild zeigt
wie der endgültige CA-Text im Vergleich mit den früheren. Durch eine plan-
mäßige Beobachtung der dabei verwandten Stilmittel wird man wahrscheinlich
noch in anderen Schriften Luthers die glättende Fland Melanchthons feststellen
können.