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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0014
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Viktor Pöschl

Einsamkeit, Armut und Ausgestoßenheit, die dennoch im Schutze der Göt-
ter steht, endet das Gedicht, das so großartig begann mit der „Tyrrhena
regum progenies“ und dem in Rosen gleichsam gebetteten Maecenas: cum
flore, Maecenas, rosarum, wo die Wortstellung nicht ohne Bedeutung ist36.
Das Ergreifen eines persönlichen Lebens voller Armut und Verzicht, das
doch erleuchtet ist vom Glanz des Musischen und Geistigen, das dem
Dichter zugleich als das Göttliche erscheint, und das Zurückweisen der
politischen Welt, der Welt der Mächtigen und ihrer Angst, hat hier viel-
leicht seinen monumentalsten, entschiedensten und grundsätzlichsten Aus-
druck gefunden.
Der Gegensatz aber zwischen politischem und persönlichem Bereich, der
sich hier von der Freundschaft zwischen Maecenas und Horaz ausgehend
zum Grundsätzlichen ausweitet, ist von Anfang an eine Grundspannung
der horazischen Dichtung.
Das wichtigste frühe Zeugnis ist die 16. Epode, wo der Dichter die
„Frommen“ auffordert, das Rom der Bürgerkriege zu verlassen und mit
ihm zusammen zu den Inseln der Seligen zu fahren, die in zauberhaft
schönen Versen beschrieben werden, dorthin, wo Jupiter den Seinen das
goldene Zeitalter rein bewahrt hat, als er in diese Welt das eherne ein-
führte. Dies ist nicht so zu verstehen, als habe Horaz wirklich an eine Aus-
wanderung gedacht — eine Auswanderung etwa nach Madeira, wie
Dornseiff annimmt37 —, sondern das Land der Seligen ist für ihn das
Land der Weisheit und Dichtung: aus dem Dunkel der Zeit führt uns der
vates Horaz in eine reinere, heilige, glücklichere Welt38. Daß diese sinn-
bildliche Deutung möglich ist, ja daß wir die augusteische Dichtung weit-
gehend sinnbildlich verstehen dürfen und daß insbesondere die Welt des
griechischen Mythos, zu der ja auch die Inseln der Seligen gehören, für
die augusteischen Dichter eine gern gewählte Form transparenter Aus-
sage ist, in der ihre Anliegen in distanzierter, verwandelter, monumentali-
sierter Weise Gestalt gewinnen, das wird, wenn wir einmal von Horaz
absehen, durch die Hirtengedichte und die Aeneis Virgils bewiesen und
durch die mythologischen Darstellungen der pompejanischen Wandbilder,
wie sie Karl Schefold erschlossen hat39. In der Ars poetica (391—396)
deutet Horaz selbst expressis verbis die Sänftigung der reißenden Tiger
und Löwen durch Orpheus allegorisch und damit auch den thebanischen
Mauerbau durch die Zauberkraft der Musik, den er in gleichem Zusammen-
hang nennt:
silvestris homines sacer interpresque deorum
caedibus et victu foedo deterruit Orpheus,
clictus ob hoc lenire tigres rabidosque leones;
dictus et Amphion, Thebanae conditor urbis,
saxa movere sono testudinis et prece blanda
ducere quo vellet.
 
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