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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0021
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Horaz und die Politik

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dem Dichter ankommt. Das ist der Weg, den er uns führt. Der kurze
Augenblick anakreontischer Heiterkeit, den es zu ergreifen gilt, steht vor
einem ungeheuren Hintergrund politischen Schicksals und politischen Ver-
hängnisses, vor dem: cras ingens iterabimus aequor.
Das Schicksal des Teucer, der nach langen Kriegsjahren die geliebte
Heimat wiedersieht, um erneut und für immer aus ihr verstoßen zu werden,
ist ein Zeitschicksal. Wie viele, die für Brutus und die Republik gekämpft
hatten und dann von Haus und Hof vertrieben werden, haben ähnliches
erlebt, und auch Horaz gehörte zu ihnen.
Auch sonst begegnet uns die Gestalt des Landvertriebenen, und zwar in
der Ode No?i ebur neque aureum (c. 2, 18, 26 ff.) im Bilde der Bauern-
familie, die als einzige Habe die armseligen Penaten und die elenden Kin-
der mitnimmt, und auch bei Virgil stoßen wir immer wieder auf die Gestalt
des Heimatlosen und Ausgestoßenen, mag man nun an den Hirten Meli-
boeus der 1. Ekloge oder an Aeneas und Dido und die vielen andern Hel-
den der Aeneis denken, die dazu verurteilt sind, eine neue Heimat zu
suchen. Und wie man in der 1. Ekloge über der Verherrlichung des gött-
lichen iuvenis, der den Hirten Tityrus rettet, die Klage und die Anklage
derer nicht überhören darf, die das Schicksal des Meliboeus traf (1, 70):

impius haec tarn culta novalia miles habebit,
barbarus has segetes. En quo discordia cives
produxit miseros,
so darf man bei Horaz über der Verherrlichung des Kaisers die Gestalten
nicht übersehen, die (wie der Teucer der Munatiusode) zeigen, wie tief der
Dichter so manches Schicksal von Menschen und gewiß auch von Menschen,
die ihm nahestanden, empfand, die Opfer der Umwälzungen geworden
waren.
Ein anderes dieser Zeitschicksale ersteht vor uns in den monumentalen
Versen der Fortunaode, die von der schnöden Treulosigkeit sprechen, die
der politisch Unterlegene, der aus der Macht Gestoßene erfahren muß, eine
der großartigsten Stellen im ganzen Horaz (1, 35, 25—29)59.
Hier enthüllen sich Aspekte des politischen Dichters Horaz, die seinem
Gerechtigkeitssinn und seinem menschlichen Empfinden ein ebenso schönes
Zeugnis ausstellen wie seiner dichterischen Kraft, die mit wenigen Strichen
Atmosphäre zu schaffen und ein Schicksal in knapp-eindringlichen, kühnen
und monumentalen Umrissen zu beschwören weiß. Nicht als Verherrlicher
des Augustus erweist er sich hier, sondern als Mahner und Warner, als
Befürworter politischer und menschlicher Gerechtigkeit auch für den Unter-
legenen und somit als im echten Sinne politischer Dichter. Zugleich aber
wird hier eine Hauptabsicht der horazischen (wie virgilischen) Dichtung
sichtbar, auf die wir schon hingewiesen haben: sie will gegenüber den
 
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