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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1956, 4. Abhandlung): Horaz und die Politik — Heidelberg, 1956

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https://doi.org/10.11588/diglit.42325#0024
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Viktor Pöschl

das Ich des Dichters wieder erscheint wie am Schluß der ersten Römerode,
so wird man auch die zweite den Gedichten zuweisen können, die aus der
Welt des Glanzes und der politischen Macht in einen stilleren Bereich
führen.
So hat also der persönliche Bereich, das private Dasein auch innerhalb
des Zyklus der Römeroden seinen festen Platz, die man immer als politi-
sche, augusteische Gedichte par excellence empfunden hat. Hier ist also
ein, wenn auch spannungsreiches, Gleichgewicht zwischen den beiden Sphä-
ren erreicht, auf deren sinnvollem Zusammenklingen der Wert des mensch-
lichen Daseins beruht. Es ist dies eine Leistung, die erst in der augusteischen
Dichtung möglich war. In der späten Republik haben wir auf der einen Seite
die persönliche Dichtung der Neoteriker und die epikureische Erlösungs-
philosophie des Lucrez, die sich ganz einseitig dem individuellen Bereich zu-
wenden. Auf der andern Seite bekämpft Cicero in der Einleitung zum
Staatsdialog die epikureisch gefärbte Verteidigung des ßlog ffecoQriTixog,
und zwar nicht nur gegenüber seinem Freund Atticus und seinem Bruder
Ouintus, die in dieser Hinsicht überzeugte Epikureer sind, sondern im
Grunde auch gegen sich selbst. Horaz aber redet aufs entschiedenste einer
epikureisierenden Philosophie das Wort, die das persönliche Leben, dieses
kurze Leben, das uns hier gegeben ist, durch Beschränkung und Vergeisti-
gung zur Vollendung bringen möchte und er sieht es vor dem Hintergrund
des Unheils, das die politische Welt beherrscht. Andererseits versäumt er
nicht — in den Römeroden und einigen anderen, ihnen verwandten Ge-
dichten — das Bild einer politischen und moralischen Ordnung aufzurich-
ten, von der eine Heilung auszugehen vermöchte und an der sich Augustus
selbst und seine Nachfolger zu messen hätten:
vos lene consiliuni et datis et dato
gaudetis, almae.
Das Gleichgewicht aber, das sich hier — für einen kurzen Augenblick —
herzustellen im Begriffe ist, ist nicht etwas, das die augusteische Dichtung
nur aus sich selbst entwickelt hätte, es ist die Vollendung dessen, was in
der römischen Lebensordnung angelegt war. Denn hier waren seit alters
Familie und Staat, privater und öffentlicher Bereich, otium und res pub-
lica die beiden, durch Recht und Religion gleichmäßig geschützten Säulen,
auf denen das römische Dasein ruhte. Die augusteische Dichtung hat tiefe
Kräfte des Römertums bewußt gemacht und entfaltet, zugleich aber der
persönlichen Welt einen ganz neuen Glanz und eine ganz neue Bedeutung
gegeben, und das ist nicht der unwesentlichste Beitrag zum abendländischen
Kulturbewußtsein, den sie geleistet hat.
 
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