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Hans Frhr. von Camrenhausen
raum von 161—168/9, und eher wohl auf das Ende als in den Be-
ginn dieser Jahre6.
Ich möchte im folgenden die Diskussion um das Datum nicht
wieder aufnehmen, die Aufmerksamkeit vielmehr in eine andere
Richtung lenken, die die Untersuchungen der letzten Zeit, wie mir
scheint, allzu schnell aus dem Auge verloren haben. Gibt das
Polykarpmartyrium so, wie es in den modernen Ausgaben vor uns
liegt, wirklich den im wesentlichen unveränderten Text des brief-
lichen Berichtes wieder, den die Gemeinde von Smyrna der Gemeinde
von Philomelium einst übersandt hat? Das wird ohne Einschrän-
kung niemand behaupten wollen. Kleine Varianten, Differenzen
und Widersprüche in der Überlieferung sind längst bemerkt wor-
den; aber es fragt sich, ob die bisherige Kritik deren Umfang und
Tragweite wirklich schon ausreichend erkannt hat. Hier hat die
überragende Autorität von Eduard Schwartz, der die Überlieferung
im großen und ganzen für durchaus zuverlässig hielt und sich mit
einem beschränkten Maß von Einzelkorrekturen begnügte7, eine ver-
hängnisvolle Wirkung ausgeübt. Die Frage des Textes galt seitdem
im allgemeinen als grundsätzlich erledigt. Hermann Müllers radi-
kale Vorstöße gegen die Zuverlässigkeit der Überlieferung8 litten
an einem spürbaren Mangel an Methode und fanden daraufhin allzu
wenig Beachtung. Reunings nicht immer glückliche Vorschläge9
blieben in der von Schwartz gewiesenen Richtung und gingen
nicht wesentlich über ihn hinaus. Einige treffende Bemerkungen
zum Überlieferungsproblem finden sich bei Reitzehstein10; aber
6 Der Text der Chronik würde auf 167/8 führen; aber es fragt, sich, ob
man ihm in einer so bestimmten Auslegung trauen darf: Marrou S. 11 ff.
Fand die Hinrichtung wirklich an einem Samstag statt, so wäre der 23.
Februar 166 das gewiesene Datum; aber gerade an dieser Stelle begegnen
die Angaben des Martyriums berechtigten Zweifeln; vgl. u. S. 15.
7 De Pionio et Polycarpo (Göttinger Universitätsschrift 1905); diese
Abhandlung bildet die notwendige Ergänzung seiner bekannten Darlegungen
in den „Christlichen und jüdischen Ostertafeln“ (1905) 125—138.
8 Hermann Müller, Aus der Überlieferungsgeschichte des Polykarp-
martyriums. Eine hagiographische Studie (Paderborner Vorlesungsverzeich-
nis 1908); ders., Das Martyrium Polykarps, RQ 22 (1908) 1—16; ders.,
Eine Bemerkung zum Martyrium Polycarpi, Theol. u. Glaube 2 (1910) 669f.
9 Wilh. Reuning, Zur Erklärung des Polykarpmartyriums, Diss. theol.
Gießen 1917.
10 R. Reitzenstein, Bemerkungen zur Martyrienliteratur I, NGWissGött
1916, S. 417ff., besonders S. 459ff.
Hans Frhr. von Camrenhausen
raum von 161—168/9, und eher wohl auf das Ende als in den Be-
ginn dieser Jahre6.
Ich möchte im folgenden die Diskussion um das Datum nicht
wieder aufnehmen, die Aufmerksamkeit vielmehr in eine andere
Richtung lenken, die die Untersuchungen der letzten Zeit, wie mir
scheint, allzu schnell aus dem Auge verloren haben. Gibt das
Polykarpmartyrium so, wie es in den modernen Ausgaben vor uns
liegt, wirklich den im wesentlichen unveränderten Text des brief-
lichen Berichtes wieder, den die Gemeinde von Smyrna der Gemeinde
von Philomelium einst übersandt hat? Das wird ohne Einschrän-
kung niemand behaupten wollen. Kleine Varianten, Differenzen
und Widersprüche in der Überlieferung sind längst bemerkt wor-
den; aber es fragt sich, ob die bisherige Kritik deren Umfang und
Tragweite wirklich schon ausreichend erkannt hat. Hier hat die
überragende Autorität von Eduard Schwartz, der die Überlieferung
im großen und ganzen für durchaus zuverlässig hielt und sich mit
einem beschränkten Maß von Einzelkorrekturen begnügte7, eine ver-
hängnisvolle Wirkung ausgeübt. Die Frage des Textes galt seitdem
im allgemeinen als grundsätzlich erledigt. Hermann Müllers radi-
kale Vorstöße gegen die Zuverlässigkeit der Überlieferung8 litten
an einem spürbaren Mangel an Methode und fanden daraufhin allzu
wenig Beachtung. Reunings nicht immer glückliche Vorschläge9
blieben in der von Schwartz gewiesenen Richtung und gingen
nicht wesentlich über ihn hinaus. Einige treffende Bemerkungen
zum Überlieferungsproblem finden sich bei Reitzehstein10; aber
6 Der Text der Chronik würde auf 167/8 führen; aber es fragt, sich, ob
man ihm in einer so bestimmten Auslegung trauen darf: Marrou S. 11 ff.
Fand die Hinrichtung wirklich an einem Samstag statt, so wäre der 23.
Februar 166 das gewiesene Datum; aber gerade an dieser Stelle begegnen
die Angaben des Martyriums berechtigten Zweifeln; vgl. u. S. 15.
7 De Pionio et Polycarpo (Göttinger Universitätsschrift 1905); diese
Abhandlung bildet die notwendige Ergänzung seiner bekannten Darlegungen
in den „Christlichen und jüdischen Ostertafeln“ (1905) 125—138.
8 Hermann Müller, Aus der Überlieferungsgeschichte des Polykarp-
martyriums. Eine hagiographische Studie (Paderborner Vorlesungsverzeich-
nis 1908); ders., Das Martyrium Polykarps, RQ 22 (1908) 1—16; ders.,
Eine Bemerkung zum Martyrium Polycarpi, Theol. u. Glaube 2 (1910) 669f.
9 Wilh. Reuning, Zur Erklärung des Polykarpmartyriums, Diss. theol.
Gießen 1917.
10 R. Reitzenstein, Bemerkungen zur Martyrienliteratur I, NGWissGött
1916, S. 417ff., besonders S. 459ff.