Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums
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wiesen wird15, ist nicht ursprünglich, sondern gehört erst einer sehr
viel späteren Bearbeitung an.
Dies ist nun durch den Vergleich im einzelnen zu zeigen. Die
eine oder andere Stelle, in der Eusebios die von uns angenommene
Bearbeitung des Polykarpmartyriums noch nicht zu kennen scheint,
könnte ja auf Zufall beruhen und vielleicht auch als absichtliche
Kürzung verständlich gemacht werden— obgleich solche Kürzun-
gen im Eusebiostext sonst nirgends begegnen. Aber die Regel-
mäßigkeit, mit der die unter sich zusammenhängenden Einschübe
von ihm übergangen werden, und die Gewaltsamkeit, mit der sie
z.T. auch im Pioniostext den ursprünglichen Zusammenhang unter-
brechen, spricht eine allzu klare Sprache. Die Vergleiche stützen
sich gegenseitig und schließen jeden Zweifel an dem sekundären
Charakter der Bearbeitung eindeutig aus.
1. Im Anschluß an die vollständig mitgeteilte Briefadresse
zitiert Eusebios den ersten Satz des Martyriums (M 1,1) und fährt
dann HE IV 15,4 folgendermaßen fort: τοντοις έξης προ της άμφί
τον Πολυκάρπου διηγησεως τά κατά τους λοιπούς άνιστορονσι μάρ-
τυρας, οϊας ενστάσεις προς τάς άλγηδόνας ένεδείξαντο, διαγράφοντες.
Das heißt: Eusebios leitet unmittelbar zu dem zweiten Satz des
zweiten Kapitels über (M 2,2), in dem der Smyrnäerbrief die furcht-
baren Geißelungen zu schildern sucht, denen die Märtyrer unter-
worfen wurden. Alles dazwischen Stehende von M 1,1b—2,2a ist
ausgefallen. Eusebios deutet indessen mit keiner Silbe an, daß seine
Wiedergabe hier irgend etwas gekürzt oder übergangen hätte. Im
Gegenteil, er sagt ausdrücklich τοντοις έξης, nicht etwa wie in dem
Referat des Lyoner Märtyrerbriefes an der entsprechenden Stelle
HE V 1,4 εϊτα τοντοις έξης ετερα προοιμιασάμενοι oder V 1,62 τοντοις
15 Vgl. ζ.Β. Baden, Der Νachahmungsgedanke im Polykarpmartyrium,
Theol. u. Glaube 3 (1911) 115ff. und vor allem H. Delehäye, Les passions
des martyres et les genres litteraires (1921) 17ff.; auch H.-W. Surkau, Mar-
tyrien in jüdischer und frühchristlicher Zeit (1938) 129ff. Ich bin in meinem
Buche über „die Idee des Martyriums in der alten Kirche“ (1936) 82ff. ent-
sprechend verfahren, habe nur allerdings schon dort darauf abgehoben, daß
die im Polykarpmartyrium begegnende Fassung des Gedankens keines-
wegs urchristlich ist und auch in der Folgezeit keine wesentliche Rolle mehr
spielt. Die systematische Parallelisierung des Lebens und Wirkens Christi
mit dem seiner Nachfolger (Franziskus!) ist vielmehr, wie ich jetzt hinzu-
fügen möchte, erst ein mittelalterlicher Gedanke. Über das Stephanus- und
Hegesipp-Martyrium vgl. a.a.O. S. 57ff. 85f.
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wiesen wird15, ist nicht ursprünglich, sondern gehört erst einer sehr
viel späteren Bearbeitung an.
Dies ist nun durch den Vergleich im einzelnen zu zeigen. Die
eine oder andere Stelle, in der Eusebios die von uns angenommene
Bearbeitung des Polykarpmartyriums noch nicht zu kennen scheint,
könnte ja auf Zufall beruhen und vielleicht auch als absichtliche
Kürzung verständlich gemacht werden— obgleich solche Kürzun-
gen im Eusebiostext sonst nirgends begegnen. Aber die Regel-
mäßigkeit, mit der die unter sich zusammenhängenden Einschübe
von ihm übergangen werden, und die Gewaltsamkeit, mit der sie
z.T. auch im Pioniostext den ursprünglichen Zusammenhang unter-
brechen, spricht eine allzu klare Sprache. Die Vergleiche stützen
sich gegenseitig und schließen jeden Zweifel an dem sekundären
Charakter der Bearbeitung eindeutig aus.
1. Im Anschluß an die vollständig mitgeteilte Briefadresse
zitiert Eusebios den ersten Satz des Martyriums (M 1,1) und fährt
dann HE IV 15,4 folgendermaßen fort: τοντοις έξης προ της άμφί
τον Πολυκάρπου διηγησεως τά κατά τους λοιπούς άνιστορονσι μάρ-
τυρας, οϊας ενστάσεις προς τάς άλγηδόνας ένεδείξαντο, διαγράφοντες.
Das heißt: Eusebios leitet unmittelbar zu dem zweiten Satz des
zweiten Kapitels über (M 2,2), in dem der Smyrnäerbrief die furcht-
baren Geißelungen zu schildern sucht, denen die Märtyrer unter-
worfen wurden. Alles dazwischen Stehende von M 1,1b—2,2a ist
ausgefallen. Eusebios deutet indessen mit keiner Silbe an, daß seine
Wiedergabe hier irgend etwas gekürzt oder übergangen hätte. Im
Gegenteil, er sagt ausdrücklich τοντοις έξης, nicht etwa wie in dem
Referat des Lyoner Märtyrerbriefes an der entsprechenden Stelle
HE V 1,4 εϊτα τοντοις έξης ετερα προοιμιασάμενοι oder V 1,62 τοντοις
15 Vgl. ζ.Β. Baden, Der Νachahmungsgedanke im Polykarpmartyrium,
Theol. u. Glaube 3 (1911) 115ff. und vor allem H. Delehäye, Les passions
des martyres et les genres litteraires (1921) 17ff.; auch H.-W. Surkau, Mar-
tyrien in jüdischer und frühchristlicher Zeit (1938) 129ff. Ich bin in meinem
Buche über „die Idee des Martyriums in der alten Kirche“ (1936) 82ff. ent-
sprechend verfahren, habe nur allerdings schon dort darauf abgehoben, daß
die im Polykarpmartyrium begegnende Fassung des Gedankens keines-
wegs urchristlich ist und auch in der Folgezeit keine wesentliche Rolle mehr
spielt. Die systematische Parallelisierung des Lebens und Wirkens Christi
mit dem seiner Nachfolger (Franziskus!) ist vielmehr, wie ich jetzt hinzu-
fügen möchte, erst ein mittelalterlicher Gedanke. Über das Stephanus- und
Hegesipp-Martyrium vgl. a.a.O. S. 57ff. 85f.