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Hans Frhr. von Campenhattsen
3. Dagegen meldet sich am Schluß des vierten Kapitels offen-
sichtlich wieder unser „evangelischer“ Redaktor zum Wort. Es
handelt vom Abfall des Phrygers Quintus, der sich erst selbst ge-
meldet hatte, dann aber angesichts der Bestien schwach wurde und
das geforderte Opfer vollzog. Das ist eine Nachricht, die dem be-
sonderen Anliegen der Bearbeitung natürlich besonders entgegen-
kommt, und auch der ältere, durch Eusebios bezeugte Text hatte
schon die Nutzanwendung gefolgert: „Darum nun, Brüder, können
wir die nicht loben, die sich aus freien Stücken23 stellen.“ Auch
Eusebios hat sich für das hier verhandelte Problem besonders
interessiert und das Schlußurteil daher ganz besonders ausführlich
wiedergegeben24; aber den angehängten Schlußsatz: „denn also
lehret nicht das Evangelium“ hat er nicht aufgenommen; er lag
ihm noch nicht vor. Ihn hat erst die Euangelion-Redaktion im
Sinne der programmatischen Eingangssätze nachträglich hinzu-
gefügt.
4. Einen besonders gewalttätigen und ungeschickten Einschub
stellt der Text von M 6,2—7,1 a dar. Eusebios kennt ihn noch nicht,
und den Zusammenhang unterbricht und stört er in denkbar auf-
fälliger Weise25. M 6,1 war davon die Rede gewesen, daß die Häscher
alsbald auch am zweiten Zufluchtsort, den Polykarp außerhalb der
Stadt gewählt hatte, zur Stelle waren. Sie konnten ihn dort aber
nicht ausfindig machen, bis sie zwei Sklaven ergriffen und so lange
mißhandelten, bis der eine von ihnen das Versteck verriet. Man
fand Polykarp, heißt es dann M 7,1 übereinstimmend mit Eusebios,
spät abends in seiner Schlafkammer, und obgleich er selbst da
noch die Möglichkeit besaß zu fliehen, lehnte er sie nunmehr ruhig
ab und gab sich selbst in die Hände der Verfolger. In diesen Bericht
23 Zum Sprachlichen dieser Wendung s. Ed. Schwartz, De Pionio S. 8f.;
H. Lietzmann, SBA 1934 S. 779.
24 Über seine Vorlage s. u. S. 18f.
25 Diese Unordnung hat auch Reuning, a.a. O. S. 27 empfunden; aber
statt sich durch einen Blick auf Eusebios leiten zu lassen, erklärt er vielmehr
den guten Eingang M 6,2 für sekundär und nimmt den wirren Einschub als
ursprünglich an. Auch die Handschriften c, v und die von Kleopas entdeckten,
von A. Papadopulos, Μαρτύρων τον άγιον Πολυκάρπου (Alexandria 1908, hier
zitiert nach B. Sepp, Das Martyrium Polycarpi [1911] S. 33) herausgegebenen
Textfragmente haben übrigens den größten und störendsten Teil des Ein-
schubs (von καί δ είρήναρχος bis τιμωρίαν) gestrichen; vgl. H. Müller, Eine
Bemerkung zum Martyrium Polykarps, Theol. u. Glaube 2 (1910) 670.
Hans Frhr. von Campenhattsen
3. Dagegen meldet sich am Schluß des vierten Kapitels offen-
sichtlich wieder unser „evangelischer“ Redaktor zum Wort. Es
handelt vom Abfall des Phrygers Quintus, der sich erst selbst ge-
meldet hatte, dann aber angesichts der Bestien schwach wurde und
das geforderte Opfer vollzog. Das ist eine Nachricht, die dem be-
sonderen Anliegen der Bearbeitung natürlich besonders entgegen-
kommt, und auch der ältere, durch Eusebios bezeugte Text hatte
schon die Nutzanwendung gefolgert: „Darum nun, Brüder, können
wir die nicht loben, die sich aus freien Stücken23 stellen.“ Auch
Eusebios hat sich für das hier verhandelte Problem besonders
interessiert und das Schlußurteil daher ganz besonders ausführlich
wiedergegeben24; aber den angehängten Schlußsatz: „denn also
lehret nicht das Evangelium“ hat er nicht aufgenommen; er lag
ihm noch nicht vor. Ihn hat erst die Euangelion-Redaktion im
Sinne der programmatischen Eingangssätze nachträglich hinzu-
gefügt.
4. Einen besonders gewalttätigen und ungeschickten Einschub
stellt der Text von M 6,2—7,1 a dar. Eusebios kennt ihn noch nicht,
und den Zusammenhang unterbricht und stört er in denkbar auf-
fälliger Weise25. M 6,1 war davon die Rede gewesen, daß die Häscher
alsbald auch am zweiten Zufluchtsort, den Polykarp außerhalb der
Stadt gewählt hatte, zur Stelle waren. Sie konnten ihn dort aber
nicht ausfindig machen, bis sie zwei Sklaven ergriffen und so lange
mißhandelten, bis der eine von ihnen das Versteck verriet. Man
fand Polykarp, heißt es dann M 7,1 übereinstimmend mit Eusebios,
spät abends in seiner Schlafkammer, und obgleich er selbst da
noch die Möglichkeit besaß zu fliehen, lehnte er sie nunmehr ruhig
ab und gab sich selbst in die Hände der Verfolger. In diesen Bericht
23 Zum Sprachlichen dieser Wendung s. Ed. Schwartz, De Pionio S. 8f.;
H. Lietzmann, SBA 1934 S. 779.
24 Über seine Vorlage s. u. S. 18f.
25 Diese Unordnung hat auch Reuning, a.a. O. S. 27 empfunden; aber
statt sich durch einen Blick auf Eusebios leiten zu lassen, erklärt er vielmehr
den guten Eingang M 6,2 für sekundär und nimmt den wirren Einschub als
ursprünglich an. Auch die Handschriften c, v und die von Kleopas entdeckten,
von A. Papadopulos, Μαρτύρων τον άγιον Πολυκάρπου (Alexandria 1908, hier
zitiert nach B. Sepp, Das Martyrium Polycarpi [1911] S. 33) herausgegebenen
Textfragmente haben übrigens den größten und störendsten Teil des Ein-
schubs (von καί δ είρήναρχος bis τιμωρίαν) gestrichen; vgl. H. Müller, Eine
Bemerkung zum Martyrium Polykarps, Theol. u. Glaube 2 (1910) 670.