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Campenhausen, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1957, 3. Abhandlung): Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums — Heidelberg, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.42455#0017
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Bearbeitungen und Interpolationen des Polykarpmartyriums 15

noch nicht kennt, beweist ja nicht, daß sie nicht gleichwohl schon
zu seiner Zeit entstanden sein kann. Wesentlich höher in der
Datierung hinaufzurücken, dürfte sich jedoch nicht empfehlen.
Jedenfalls haben wir also noch vor Pseudo-Pionios mit einer stark
eingreifenden und ergänzenden tendenziösen Bearbeitung des Mar-
tyriums zu rechnen.
Mit der Ausscheidung der ihr zugehörigen Stücke sind aus dem
Polykarpmartyrium fast alle diejenigen Partien verschwunden, die
man bisher als alte Belege einer Parallelisierung von Martyrium
und Passion in Anspruch genommen hat. Ohne diese Rahmung hegt
es wirklich nicht mehr nah, bei der Flucht auf das Landgut und
Polykarps Gebeten an Gethsemane oder bei dem Mahl, das er
seinen Häschern auftischen läßt, an Jesu Abendmahl oder beim
Dolchstich des Confectors an den Lanzenstich bei der Kreuzigung
zu denken29. Ich finde jetzt nur noch eine einzige Stelle im ganzen
Martyrium, bei der die gewollte Erinnerung an die Passion aller-
dings nicht zu überhören ist; dies ist der eine Satz oder vielmehr
Satzschluß von M 8,1: „Als die Stunde gekommen war (Joh. 17,1)
hinauszugehen, setzten sie ihn auf einen Esel (Joh. 12,14) und
führten ihn in die Stadt; es war aber ein großer Sabbat (Joh. 19,31).“
Daß der Sabbat oder zum mindesten dieser „große Sabbat“ im ur-
sprünglichen Smyrnäerbrief unmöglich gestanden haben kann,
dürfte durch die Diskussion der chronologischen Frage endgültig
erwiesen sein30. Mir scheint aber, auch der Esel ist nicht ursprüng-
lich. Es folgt ja der Bericht, wie Polykarp genötigt wird, zu dem
Eirenarchen auf den Wagen zu steigen, von dem er nachher unter
Beschimpfungen wieder herabgestoßen wird, so daß er sich das
Schienbein verletzt. „Er aber wandte sich nicht um, sondern ging
fröhlich fürbaß, als ob er nichts weiter erlitten hätte“ (M 8,3). Wo
ist jetzt der Esel geblieben? Die begleitende Wache wird ihn doch
nicht einfach zurückgelassen haben, und daß sie dem Verletzten das
früher gewährte Reittier nunmehr aus besonderer Bosheit versagt
hätte, ist erst recht nicht gesagt. Auf jeden Fall ist der frühere Satz,
daß man Polykarp auf einem Esel zur Stadt geführt habe, und die
29 Diese und noch weitere, ähnlich schiefe „Parallelen“ bei Herrn.
Müller, RQ S. 8ff. (und ähnlich Baden, a.a.O. S. 115ff.); dagegen mit
Recht Sepp in seiner sonst viel zu konservativen Stellungnahme gegen
Müller, a.a.O. S. 7ff.
30 Vgl. Gr^igoire, a.a.O. S. 12f. Anm. 2; Marrott, a.a.O. S. 17 Anm. 1.
 
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