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Wolf gang Schadewaldt
und der Entscheidung des Odysseus zu seiner Heimkehr bei
Kalypso (5, 219 ff.) auseinandersprengt27. Es ist die Partie vom
Ende des Götterrats am Anfang (1,88) bis zu dem Befehl des
Zeus an Hermes (5,28); zu ihr gehört der ganze fünfzehnte
Gesang28,
sodann ist im siebenten Buch durch die B-Einlage 7, 149—232
der Anteil, den die Phaiaken-Königin Arete ursprünglich an
der Aufnahme des Odysseus bei den Phaiaken hatte, weg-
gesprengt worden. Die B-Einlage enthält auch hier das vor-
bereitende Programm für den zweiten Tag des Odysseus bei
den Phaiaken, der mit dem größten Teil des Buches ff die
zweite größere Eindichtung des B ist29,
weiter ist der ganze zweite Teil der Nekyia, der nach den
Gepflogenheiten des Bearbeiters den Odysseus mit seinen tro-
ischen Kriegsgefährten, vor allem mit dem Schicksal paralleli-
siert, das dem Agamemnon durch seine Frau Klytaimnestra
bereitet wird, eine umfangreiche Erweiterung des Bearbeiters
(11, ca. 330 bis ca. 567 und 615—627),
wozu noch eine Fülle geringerer Einlagen in allen Teilen der
uns überlieferten Odyssee hinzukommt.
Läßt man all dies weg, so kommt die Art des Dichters der origi-
nalen Odyssee aufs schönste zum Vorschein. Alles, was er macht, ist
große Poesie, eine Kunst, die ganz Natur und als Kunst so groß ist,
daß man sie als solche gar nicht merkt. Wie in der Natur ist in ihr
alles zugleich gesetzmäßig wie auch lebendig. Der Dichter A sieht
die großen Erscheinungen der Welt, die Grundvorgänge des Lebens
und wie sich in ihnen aus Taten und Leiden Schicksal formt. Das
Menschliche in seinem Einklang wie Widerspruch mit dem Walten
27 Ich habe über diese Partie soeben in den Harvard Studies 1958, 15 ff. berichtet.
28 Ich bin also zu der Auffassung gelangt, daß der Dichter der Telemachie kein
anderer als der Bearbeiter der ganzen Odyssee ist, eine Auffassung, die zuerst
Richard Dahms, ,Odyssee und Telemachie1, Berlin 1919, und sodann Fr. Focke,
,Die Odyssee1, Stuttgart Berlin 1943, vertreten haben. Auch die neuesten Unter-
suchungen von Siegfried Laser, ,Über das Verhältnis der Dolonie zur
Odyssee1, Hermes 1958, 385 ff. haben mich in bezug auf die Stellung der Tele-
machie nicht eines anderen belehren können, da die von Laser zum Beweis der
Sonderstellung der Telemachie herangezogenen Stellen entweder zu unsignifi-
kant sind, um einen Beweis zu tragen, oder dem allgemeinen epischen Formel-
gut angehören können.
29 Darüber in meinem Aufsatz ,Kleiderdinge. Zur Analyse der Odyssee1, Hermes
1959, 13 ff.
Wolf gang Schadewaldt
und der Entscheidung des Odysseus zu seiner Heimkehr bei
Kalypso (5, 219 ff.) auseinandersprengt27. Es ist die Partie vom
Ende des Götterrats am Anfang (1,88) bis zu dem Befehl des
Zeus an Hermes (5,28); zu ihr gehört der ganze fünfzehnte
Gesang28,
sodann ist im siebenten Buch durch die B-Einlage 7, 149—232
der Anteil, den die Phaiaken-Königin Arete ursprünglich an
der Aufnahme des Odysseus bei den Phaiaken hatte, weg-
gesprengt worden. Die B-Einlage enthält auch hier das vor-
bereitende Programm für den zweiten Tag des Odysseus bei
den Phaiaken, der mit dem größten Teil des Buches ff die
zweite größere Eindichtung des B ist29,
weiter ist der ganze zweite Teil der Nekyia, der nach den
Gepflogenheiten des Bearbeiters den Odysseus mit seinen tro-
ischen Kriegsgefährten, vor allem mit dem Schicksal paralleli-
siert, das dem Agamemnon durch seine Frau Klytaimnestra
bereitet wird, eine umfangreiche Erweiterung des Bearbeiters
(11, ca. 330 bis ca. 567 und 615—627),
wozu noch eine Fülle geringerer Einlagen in allen Teilen der
uns überlieferten Odyssee hinzukommt.
Läßt man all dies weg, so kommt die Art des Dichters der origi-
nalen Odyssee aufs schönste zum Vorschein. Alles, was er macht, ist
große Poesie, eine Kunst, die ganz Natur und als Kunst so groß ist,
daß man sie als solche gar nicht merkt. Wie in der Natur ist in ihr
alles zugleich gesetzmäßig wie auch lebendig. Der Dichter A sieht
die großen Erscheinungen der Welt, die Grundvorgänge des Lebens
und wie sich in ihnen aus Taten und Leiden Schicksal formt. Das
Menschliche in seinem Einklang wie Widerspruch mit dem Walten
27 Ich habe über diese Partie soeben in den Harvard Studies 1958, 15 ff. berichtet.
28 Ich bin also zu der Auffassung gelangt, daß der Dichter der Telemachie kein
anderer als der Bearbeiter der ganzen Odyssee ist, eine Auffassung, die zuerst
Richard Dahms, ,Odyssee und Telemachie1, Berlin 1919, und sodann Fr. Focke,
,Die Odyssee1, Stuttgart Berlin 1943, vertreten haben. Auch die neuesten Unter-
suchungen von Siegfried Laser, ,Über das Verhältnis der Dolonie zur
Odyssee1, Hermes 1958, 385 ff. haben mich in bezug auf die Stellung der Tele-
machie nicht eines anderen belehren können, da die von Laser zum Beweis der
Sonderstellung der Telemachie herangezogenen Stellen entweder zu unsignifi-
kant sind, um einen Beweis zu tragen, oder dem allgemeinen epischen Formel-
gut angehören können.
29 Darüber in meinem Aufsatz ,Kleiderdinge. Zur Analyse der Odyssee1, Hermes
1959, 13 ff.