Logische Studien zur Gesetzesanwendung
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Mörder mit dem Tode bestraft werden“. Aus diesen generellen
Sollensurteilen wird dann ein konkretes Sollensurteil, wie daß der
Mörder M den Menschen X nicht töten durfte und daß er wegen sei-
ner Tat mit dem Tode zu bestrafen ist, abgeleitet und begründet.
Doch wollen wir diese Begründung aus einem dem Gesetz entspre-
chenden Sollensurteil ohne Sorge abgekürzt als Begründung „aus
dem Gesetz“ bezeichnen und überhaupt im Allgemeinen sprachlich
zwischen Gesetz und ihm entsprechendem Sollensurteil nicht unter-
scheiden.
Die Begründung aus dem Gesetz vollzieht sich nun bekanntlich
in Form eines Schlusses1. Es erhebt sich aber einmal die Frage,
um was für eine Art von Schluß es sich hier handelt, und dann die
Frage, wie die betreffende Schlußweise im einzelnen wirksam wird,
insbesondere wie die Vordersätze in ihr Zustandekommen.
Schopenhauer sagt in „Die Welt als Wille und Vorstellung“
Teil II, Buch I, Kapitel X: „Hingegen liefert den förmlichsten
und großartigsten Syllogismus, und zwar in der ersten Figur, jeder
gerichtliche Prozeß. Die Civil- oder Kriminalübertretung, wegen
welcher geklagt wird, ist die Minor: sie wird vom Kläger festgestellt.
Das Gesetz für solchen Fall ist die Major. Das Urteil ist die Kon-
klusion, welche daher, als ein Notwendiges, vom Dichter bloß 'er-
kannt’ wird“. Und Überweg in seiner Logik, 4. Aufl., § 110, S. 319,
führt aus: Die Anwendung der Bechtsgesetze ist ein syllogistischer
Gedankenprozeß nach dem ersten Modus der ersten Figur: „Das
Vergehen, daß eine fremde bewegliche Sache dem Besitze oder Ge-
wahrsam eines Anderen entzogen wird, ist Diebstahl. Die Tat die-
ses Angeklagten ist ein Vergehen dieser Art; also ist sie Diebstahl. .
Bei der Anwendung eines Gesetzes auf einen einzelnen Fall ist der
Obersatz durch die Gesetzgebung festgestellt, der Untersatz wird,
indem er auf Tatsächliches geht, durch Augenschein, Geständnis,
Zeugnis oder Indizienbeweis gefunden; liegt aber zwischen dem
1 Rumpf, Der Strafrichter I, 1912, S. 215/16 will überhaupt bestreiten,
daß sich die Rechtsanwendung „in die enge Fessel eines formalen aristoteli-
schen Subsumtionsschlusses“ einzwängen lasse. Dies sei deshalb unmöglich,
weil das Recht „vom Willen und Gefühl stark abhängig ist, also von zwei Fak-
toren, die mit einem formalen Subsumtionsschluß nie fruchtbar in Verbindung
gebracht werden können“. Dagegen betont etwa Huber, Recht und Rechts-
verwirklichung, 1925, S. 356f., 377ff., obwohl er es an Berücksichtigung der
Willens- und Gefühlsmomente im Recht gewiß nicht fehlen läßt, mit Nachdruck
die Unverzichtbarkeit der logischen Formen für das juristische Denken. S. na-
mentlich S. 386.
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Mörder mit dem Tode bestraft werden“. Aus diesen generellen
Sollensurteilen wird dann ein konkretes Sollensurteil, wie daß der
Mörder M den Menschen X nicht töten durfte und daß er wegen sei-
ner Tat mit dem Tode zu bestrafen ist, abgeleitet und begründet.
Doch wollen wir diese Begründung aus einem dem Gesetz entspre-
chenden Sollensurteil ohne Sorge abgekürzt als Begründung „aus
dem Gesetz“ bezeichnen und überhaupt im Allgemeinen sprachlich
zwischen Gesetz und ihm entsprechendem Sollensurteil nicht unter-
scheiden.
Die Begründung aus dem Gesetz vollzieht sich nun bekanntlich
in Form eines Schlusses1. Es erhebt sich aber einmal die Frage,
um was für eine Art von Schluß es sich hier handelt, und dann die
Frage, wie die betreffende Schlußweise im einzelnen wirksam wird,
insbesondere wie die Vordersätze in ihr Zustandekommen.
Schopenhauer sagt in „Die Welt als Wille und Vorstellung“
Teil II, Buch I, Kapitel X: „Hingegen liefert den förmlichsten
und großartigsten Syllogismus, und zwar in der ersten Figur, jeder
gerichtliche Prozeß. Die Civil- oder Kriminalübertretung, wegen
welcher geklagt wird, ist die Minor: sie wird vom Kläger festgestellt.
Das Gesetz für solchen Fall ist die Major. Das Urteil ist die Kon-
klusion, welche daher, als ein Notwendiges, vom Dichter bloß 'er-
kannt’ wird“. Und Überweg in seiner Logik, 4. Aufl., § 110, S. 319,
führt aus: Die Anwendung der Bechtsgesetze ist ein syllogistischer
Gedankenprozeß nach dem ersten Modus der ersten Figur: „Das
Vergehen, daß eine fremde bewegliche Sache dem Besitze oder Ge-
wahrsam eines Anderen entzogen wird, ist Diebstahl. Die Tat die-
ses Angeklagten ist ein Vergehen dieser Art; also ist sie Diebstahl. .
Bei der Anwendung eines Gesetzes auf einen einzelnen Fall ist der
Obersatz durch die Gesetzgebung festgestellt, der Untersatz wird,
indem er auf Tatsächliches geht, durch Augenschein, Geständnis,
Zeugnis oder Indizienbeweis gefunden; liegt aber zwischen dem
1 Rumpf, Der Strafrichter I, 1912, S. 215/16 will überhaupt bestreiten,
daß sich die Rechtsanwendung „in die enge Fessel eines formalen aristoteli-
schen Subsumtionsschlusses“ einzwängen lasse. Dies sei deshalb unmöglich,
weil das Recht „vom Willen und Gefühl stark abhängig ist, also von zwei Fak-
toren, die mit einem formalen Subsumtionsschluß nie fruchtbar in Verbindung
gebracht werden können“. Dagegen betont etwa Huber, Recht und Rechts-
verwirklichung, 1925, S. 356f., 377ff., obwohl er es an Berücksichtigung der
Willens- und Gefühlsmomente im Recht gewiß nicht fehlen läßt, mit Nachdruck
die Unverzichtbarkeit der logischen Formen für das juristische Denken. S. na-
mentlich S. 386.