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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0018
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Karl Engisch:

Gesetz und seiner Anwendung eine gesetzlich maßgebende Inter-
pretation in der Mitte, so ist bei dieser das Gesetz der Obersatz,
eine Annahme des Gerichtshofs, wodurch die Bedeutung eines im
Gesetz angewandten Ausdrucks deklariert wird . . . der Untersatz,
und eine auf einen vorliegenden Einzelfall direkt anwendbare . . .
Norm der Schlußsatz“.
Alle diese Auslassungen liefern aber nur einen ersten Umriß.
Sehen wir daher näher zu.
Wenn wir die Schlußweise als solche kennen lernen
wollen, müssen wir ein ganz einfaches Beispiel wählen, wo es auf die
innere Struktur der Prämissen selbst noch gar nicht ankommt,
also etwa:
Der Mörder wird mit dem Tode bestraft (= soll mit dem Tode
bestraft werden)
M ist Mörder
M wird mit dem Tode bestraft (= soll mit dem Todebestr. w.).
Gerade dieses Beispiel zeigt, daß es sich, wie Schopenhauer
und Überweg bemerken, bei der schlußfolgernden Anwendung
der Bechtsgesetze um den sog. modus barbara handelt, wenigstens
dann, wenn man, wie dies einer logischen Tradition entspricht1,
das singuläre Urteil dem allgemeinen logisch gleichstellt. Sind
allerdings beide Prämissen singulär, so möchte man gewisse Be-
denken haben: „Der Minister der Justiz ist ermächtigt, zum Ge-
setz G die erforderlichen Bechtsverordnungen und allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zu erlassen; J ist Minister der Justiz;
also ist J ermächtigt, . . .“ Ist das ein Fall des modus barbara?
Wie Scholz in seiner Geschichte der Logik darlegt, hat schon
Petrus Bamus (Dialectices libri duo, 1556) in einer derartigen
1 S. beispielsweise Kant, Logik, § 21: „Die einzelnen Urteile sind der
logischen Form nach im Gebrauche den allgemeinen gleichzuschätzen; denn
bei beiden gilt das Prädikat vom Subjekt ohne Ausnahme. In dem einzelnen
Satze z. B.: Cajus ist sterblich, kann auch so wenig eine Ausnahme stattfinden,
als in dem allgemeinen: alle Menschen sind sterblich. Denn es gibt nur einen
Cajus“. Voraussetzung ist jedoch, wie Herbart gezeigt hat (Einleitg. i. d. Phi-
losophie § 62), daß das Subjekt ein bestimmtes, individuell bezeichnetesist, wie
im Anschluß an Herbart auch Überweg, Logik, 4. Aufl., § 70 betont (s. fer-
ner noch Lotze, Logik, § 87). Historisch kritisch zu dieser Tradition Scholz,
Geschichte der Logik, 1931, S. 39/40. Kritisch ferner: Drobisch, Logik,
5. Aufl., 1887, § 43 a. E.; Höfler-Mally, Logik, 2. Aufl., 1922, S. 663ff.;
Honecker, Logik, 1927, S. 150/151 mit S. 99ff.; Pfänder, Logik, 2. Aufl.,
1929 S. 460. S. schließlich auch v. Kries, Logik, 1916, S. 387/8.
 
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