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Karl Engisch:
Ablehnung der Subsumtion eine Folgerung für sich herausspringen,
so muß jene Ablehnung innerhalb eines modus tollens geschehen,
also innerhalb eines Schlusses von der Verneinung der Folge auf die
Verneinung des Grundes. Also beispielsweise so:
Wenn jemand Mörder ist, so hat er vorsätzlich und aus Mord-
lust . . . getötet
A hat nicht vorsätzlich und aus Mordlust getötet
A ist nicht Mörder.
Aber an diesem Schluß fällt zweierlei auf: Einmal daß im Ober-
satz das im Gesetz begründete natürliche Verhältnis von Vorder-
satz und Nachsatz auf den Kopf gestellt wird; d. h. was im Gesetz
Grund ist (die vorsätzliche Tötung aus Mordlust usw.), erscheint
im Obersatz als Folge, und was im Gesetz Folge ist (das Mörder-
sein), erscheint im Obersatz als Grund. Und außerdem erreichen
wir auch hier nicht die Isolierung der eigentlichen Rechtsfolge.
Auch hier gelangen wir schließlich nur zur Feststellung, daß A nicht
als Mörder mit dem Tode bestraft werden soll. Wollen wir also
über die Ablehnung der Subsumtion hinaus eine bestimmte Folge
dieser Ablehnung gewinnen, so bedürfen wir offenbar eines beson-
deren Obersatzes, also etwa nach dem Schema:
Wenn jemand einen Menschen vorsätzlich aus Mordlust
tötet, so soll er mit dem Tode bestraft werden
Wenn jemand einen Menschen nicht vorsätzlich aus Mord-
lust tötet, so soll er nicht mit dem Tode bestraft werden1.
A hat einen Menschen nicht vorsätzlich aus Mordlust getötet
A soll nicht mit dem Tode bestraft werden.
Hier haben wir dann in der Tat wieder einen Fall des modus
ponens mit Negationen in den Prämissen vor uns, aber dieser Schluß
ist ja ein echter Subsumtionsschluß und gerade keine schlichte Ab-
lehnung einer Subsumtion.
1 Dieser zweite Obersatz kann mit dem ersten zusammengezogen werden
zu dem Satz: „Nur wenn jemand einen Menschen vorsätzlich aus Mordlust
. . . tötet, so soll er mit dem Tode bestraft werden“. Selbstverständlich ist
dieser Satz heute nicht richtig. Für das Strafrecht vor 1933 war er immerhin
praktisch annähernd zutreffend. Ich wollte das bisher gebrauchte Beispiel bei-
behalten. Ein praktisch richtigeres Beispiel, das zugleich allgemeinere Bedeu-
tung hat, ist folgendes: Wenn jemand seiner Schuld überführt ist, so wird er
verurteilt; wenn jemand seiner Schuld nicht überführt ist, so wird er nicht
verurteilt (sondern freigesprochen); A ist seiner Schuld nicht überführt; A wird
nicht verurteilt (sondern freigesprochen).
Karl Engisch:
Ablehnung der Subsumtion eine Folgerung für sich herausspringen,
so muß jene Ablehnung innerhalb eines modus tollens geschehen,
also innerhalb eines Schlusses von der Verneinung der Folge auf die
Verneinung des Grundes. Also beispielsweise so:
Wenn jemand Mörder ist, so hat er vorsätzlich und aus Mord-
lust . . . getötet
A hat nicht vorsätzlich und aus Mordlust getötet
A ist nicht Mörder.
Aber an diesem Schluß fällt zweierlei auf: Einmal daß im Ober-
satz das im Gesetz begründete natürliche Verhältnis von Vorder-
satz und Nachsatz auf den Kopf gestellt wird; d. h. was im Gesetz
Grund ist (die vorsätzliche Tötung aus Mordlust usw.), erscheint
im Obersatz als Folge, und was im Gesetz Folge ist (das Mörder-
sein), erscheint im Obersatz als Grund. Und außerdem erreichen
wir auch hier nicht die Isolierung der eigentlichen Rechtsfolge.
Auch hier gelangen wir schließlich nur zur Feststellung, daß A nicht
als Mörder mit dem Tode bestraft werden soll. Wollen wir also
über die Ablehnung der Subsumtion hinaus eine bestimmte Folge
dieser Ablehnung gewinnen, so bedürfen wir offenbar eines beson-
deren Obersatzes, also etwa nach dem Schema:
Wenn jemand einen Menschen vorsätzlich aus Mordlust
tötet, so soll er mit dem Tode bestraft werden
Wenn jemand einen Menschen nicht vorsätzlich aus Mord-
lust tötet, so soll er nicht mit dem Tode bestraft werden1.
A hat einen Menschen nicht vorsätzlich aus Mordlust getötet
A soll nicht mit dem Tode bestraft werden.
Hier haben wir dann in der Tat wieder einen Fall des modus
ponens mit Negationen in den Prämissen vor uns, aber dieser Schluß
ist ja ein echter Subsumtionsschluß und gerade keine schlichte Ab-
lehnung einer Subsumtion.
1 Dieser zweite Obersatz kann mit dem ersten zusammengezogen werden
zu dem Satz: „Nur wenn jemand einen Menschen vorsätzlich aus Mordlust
. . . tötet, so soll er mit dem Tode bestraft werden“. Selbstverständlich ist
dieser Satz heute nicht richtig. Für das Strafrecht vor 1933 war er immerhin
praktisch annähernd zutreffend. Ich wollte das bisher gebrauchte Beispiel bei-
behalten. Ein praktisch richtigeres Beispiel, das zugleich allgemeinere Bedeu-
tung hat, ist folgendes: Wenn jemand seiner Schuld überführt ist, so wird er
verurteilt; wenn jemand seiner Schuld nicht überführt ist, so wird er nicht
verurteilt (sondern freigesprochen); A ist seiner Schuld nicht überführt; A wird
nicht verurteilt (sondern freigesprochen).