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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0026
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Karl Engisch:

griffes „Mörder“. „Mörder“ ist u. A. auch derjenige, der eine vor-
sätzliche Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln ausführt. Wann
sind Mittel gemeingefährlich? Die Auslegung lehrt uns: „Der Ge-
meingefahr ist wesentlich, daß ihre Ursache und ihre Auswirkung
sich der Berechnung und Beherrschung durch den Urheber der Ge-
fahr entziehen“ (so Kohlrausch, Kommentar z. StGB., IX 7 zu
§ 211 n. F.). In diesem Sinne ist z. B. ein Bombenwurf ein gemein-
gefährliches Mittel. Wollen wir dieses Ergebnis im Obersatz fixieren,
so müssen wir offenbar folgendermaßen Vorgehen:
Der Mörder wird mit dem Tode bestraft
Wer mit gemeinfährlichen Mitteln einen Menschen vorsätzlich
tötet, ist Mörder
Wer mit gemeingefährlichen Mitteln einen Menschen vorsätz-
lich tötet, wird mit dem Tode bestraft
Wer mit Mitteln, deren Anwendung und Auswirkung sich der
Berechnung und Beherrschung durch den sie Anwendenden
entziehen, vorsätzlich einen Menschen tötet, tötet e. M. vor-
sätzlich mit gemeingefährlichen Mitteln
Wer mit Mitteln, deren Anwendung und Auswirkung sich der
Berechnung und Beherrschung durch den sie Anwendenden
entziehen, e. M. vorsätzlich tötet, wird mit dem Tode bestraft
Wer mit Bombenwurf einen Menschen vorsätzlich tötet, tötet
einen Menschen vorsätzlich mit Mitteln, deren Anwendung
und Auswirkung sich der Berechnung und Beherrschung durch
den sie Anwendenden entziehen
Wer mit Bombenwurf einen Menschen vorsätzlich tötet, wird
mit dem Tode bestraft.
Jetzt haben wir den spezielleren Sollenssatz, den wir brauchen,
um einen Menschen, der in concreto eine Bombe geworfen und auf
diese Weise einen Menschen vorsätzlich getötet hat, richtig zu be-
urteilen und zum Tode zu verurteilen. Es zeigt sich auch die Dich-
tigkeit der früher zitierten Beobachtung von Überweg: „Liegt
zwischen dem Gesetz und seiner Anwendung eine maßgebende In-
terpretation in der Mitte, so ist bei dieser das Gesetz der Obersatz,
eine Annahme des Gerichtshofs, wodurch die Bedeutung eines im
. . „Gemeingefährliche Mittel sind Mittel, welche . . „Unter Gemein-
gefahr ist zu verstehen . . .“. Diese Urteile müssen dann aber in geeigneter
Form mit dem Obersatz in Verbindung gebracht werden. Hiervon handelt
der Text.
 
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