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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0029
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Logische Studien zur Gesetzesanwendung

19

genannte Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter den ab-
strakten Tatbestand des Gesetzes, genauer: unter den Vordersatz
des generellen Sollensurteils, das im Obersatz steckt* 1. Bei dieser
Subsumtion sind nun drei Elemente auseinander zu halten:
1. die Vorstellung des konkreten Lebensfalles, des „Sachver-
halts“,
2. die Feststellung, daß dieser Sachverhalt sich tatsächlich
zugetragen hat,
3. die Würdigung des Sachverhalts als eines solchen, der die
Merkmale des Gesetzes d. h. genauer des Vordersatzes des Ober-
satzes bzw. des „Mittelbegriffs“ aufweist. Dieses dritte Element
birgt die eigentliche Subsumtion. Die Unterscheidung der Elemen-
te 1) und 2), die etwa der von Meinong und anderen Logikern voll-
zogenen Unterscheidung von „Annahme“ und eigentlichem „Urteil“
entspricht2, gründet sich auf die gerade dem Juristen geläufige Beo-
bachtung, daß wir mit „Fällen“, „Sachverhalten“, „Objektiven“
(Meinong) gedanklich operieren können, auch ohne ihre Realität
festgestellt zu haben oder auch nur von ihr überzeugt zu sein. Jeder
bloß erdachte und dennoch wie ein wirklich geschehener rechtlich
beurteilte „Übungsfall“ liefert einen Beleg. Im Prozeß gehen der
Feststellung des der Urteilsfindung unterworfenen Sachverhalts
in verschiedenster Gestalt bloße „Annahmen“ des Sachverhalts
voraus. So wenn das Gericht prüft, ob es für die Beurteilung die-
ses Sachverhalts überhaupt zuständig ist, oder wenn es prüft, ob
4. Aufl. 1911, § 56, S. 497; Wcndt, Logik, 5. Aufl. 1924, I, S. 311 ff. Falsch
Wälder, a.a.O., S. 13 („Mehrheit von Syllogismen“).
1 Die Redeweise „Subsumtion (des konkreten Sachverhalts) unter das
Gesetz“ ist zunächst ein Bequemlichkeitsausdruck für „Subsumtion unter den
abstrakten Tatbestand des Gesetzes“, diese letztere Redeweise wieder ein Be-
quemlichkeitsausdruck für „Subsumtion unter den Tatbestandsbegriff des als
Obersatz fungierenden generellen rechtlichen Sollensurteils bzw. unter den
Vordersatz des als Obersatz fungierenden hypothetischen rechtlichen Sollens-
urteils“. Wollen wir noch genauer sein, so müssen wir betonen, daß im Unter-
satz der konkrete Sachverhalt subsumiert wird unter einen Begriff, der iden-
tisch ist mit dem Tatbestandsbegriff des Obersatzes bzw. identisch mit dem
Prädikat des Vordersatzes des (hypothetisch gefaßten) Obersatzes. Diese Fein-
heiten brauchen nun im folgenden nicht mehr explicite zum Ausdruck zu kom-
men. Wir bedienen uns also getrost solcher herkömmlichen Wendungen wie
„Subsumtion des Falles unter das Gesetz“ bzw. „Subsumtion unter den recht-
lichen Obersatz“ bzw. „Subsumtion unter den gesetzlichen Tatbestand“ usw.
2 S. dazu Meinong, Über Annahmen, 2. Aufl. 1910; Höfler, Logik,
2. Aufl. 1922, S. 29f., 398ff., 430ff.
 
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