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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0040
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Karl Engisch:

c) Wohl aber wechselt das Organ des Vergleichens mit dem
Vergleichsmaterial. Ob zwei anschauliche Gegebenheiten, z. B.
zwei Farben oder zwei Helligkeitsgrade gleichgeartet sind, darüber
entscheiden Wahrnehmung und Erfahrung, ob dagegen eine Nichts-
würdigkeit einer andern gleichzuachten ist, darüber entscheidet
das Wertfühlen, insbesondere das Rechtsgefühl. Wir brauchen das
nicht im Einzelnen zu verfolgen. Es genügt die allgemeine Fest-
stellung, daß teils die Erfahrung, teils das Wertfühlen die in derSub-
sumtion steckende Gleichsetzung bewirken und begründen. Über
Erfahrung und subtiles Gefühl für moralische und rechtliche Gleich-
wertigkeiten wie auch für moralische und rechtliche Unterschiede
muß denn auch bekanntlich der Jurist verfügen, wenn er ein gutes
„Judiz“ haben will. Beide zusammen machen das aus, was Kant
als die Urteilskraft des Juristen im Auge hat, von der er in oft zitier-
ter und auch hier der Erinnerung würdiger Ausführung gesagt hat:
„Ein Richter oder ein Staatskundiger kann viel schöne juristische
oder politische Regeln im Kopfe haben . . . und wird dennoch in
der Anwendung derselben leicht verstoßen, entweder, weil es ihm an
natürlicher Urteilskraft (obgleich nicht am Verstände) mangelt, und
er zwar das Allgemeine in abstracto einsehen, aber ob ein Fall in con-
creto darunter gehöre, nicht unterscheiden kann, oder auch darum,
weil er nicht genug durch Beispiele und wirkliche Geschäfte zu die-
sem Urteile abgerichtet worden“. (Kritik d. reinen Vernunft, Trans-
zendentale Analytik, Buch II, Einleitung.)
d) Das schwierigste logische Problem, das die Subsumtion als
Gleichsetzung des zu entscheidenden Falles mit den vom gesetzlichen
Tatbestand betroffenen Fällen aufgibt, liegt in der Tatsache begrün-
det, daß eine Gleichartigkeit des zu subsumierenden Falles mit den
durch Auslegung als gesetzesbetroffen ermittelten Fällen meist nur
„in einzelnen Beziehungen“1 und nur „bis zu einem gewissen Grade“
gegeben ist. Dieses Problem taucht schon bei der Auslegung, bei der
Subordination auf, wenn z. B. Juwelen, Kohlen, Wein und Gas glei-
chermaßen als Objekt des Diebstahls angesehen werden, obwohl sie
1 Höfler, Logik, 2. Aufl. 1922, S. 256/57 spricht hier von „Ähnlichkeit“,
welchen Sprachgebrauch ich, ohne seine Berechtigung etwa anfechten zu wol-
len, vermeide. Eher scheint es mir zweckmäßig, von Ähnlichkeit zu sprechen,
wenn die Gleichheit in einer bestimmten Hinsicht keine vollkommene, sondern
eine nur annäherungsweise vorhandene, mit Verschiedenheit in der gleichen
Hinsicht gemischte ist. Über die Doppeldeutigkeit des Ähnlichkeitsbegriffes
s. auch v. Aster a.a.O. S. 81/82.
 
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