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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0046
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Karl Engisch:

Vergleich Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.
Gleichheit nicht nur in einzelnen Hinsichten, sondern ,,in jeder Be-
ziehung“ geht in Identität über (principium identitatis indiscerni-
bilium). Gleichheit gründet sich also logisch nicht auf Identität, son-
dern umgekehrt Identität auf Gleichheit; nur insofern kann eine
Abhängigkeit der „Gleichheit“ von der „Identität“ eingeräumt wer-
den, als zwei Objekte, die miteinander verglichen werden sollen, in
dem Sinne Identität aufweisen müssen, daß jedes für sich als eines
und dasselbe erkannt sein muß1.
W eiche Seiten ich dann beim Vergleich zweier Objekte in den
Blick nehme und beachte, das bestimmt sich nach den besonderen
Interessen, die mich beim Vergleich bewegen. So habe ich ein be-
sonderes Interesse daran, zwei Diebstähle auf den Dunkelheitsgrad
bei der Tatbegehung zu vergleichen, weil mich diese Seite der Ange-
legenheit um der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Angegriffenen
und um der damit verbundenen erhöhten Strafwürdigkeit willen
interessiert, wie ich ja auch bei einer Subordinationsfrage wie der,
ob Heizwasser, Gas, Elektrizität „ebenso gut“ Sachen sind wie Ju-
welen,Wein usw. auf die Herrschaftsform, das Interesse des Eigen-
tümers am Schutz vor Wegnahme, die möglichen Formen der Ent-
ziehung des Gewahrsams und dgl. mehr achte, weil mich diese Sei-
ten der Begebenheiten interessieren, während mich z. B. der Aggre-
gatszustand nicht interessiert. Dabei ist ersichtlich die Sprache ein
Mittel für den Gesetzgeber, auf die für den Vergleich wichtigen Sei-
ten hinzuweisen. Aber nicht weil die Sprache ideale Einheiten „be-
deutet“, sondern weil sie Gruppen von Objekten, Beschaffenheiten,
Vorgängen kennzeichnet. Will der Gesetzgeber durch die Worte
„zur Nachtzeit“ unter Indienstnahme des „gewöhnlichen Sprach-
gebrauchs“ einen Vergleich unter dem Gesichtspunkt der Dunkel-
heit anregen, so erreicht er dieses Ziel deshalb, weil die Worte „zur
Nachtzeit“ = „in der Zeit, während deren es dunkel ist“, an allen
Vorgängen, die sich während dieser Zeit abspielen, die gleiche Seite
herausheben, indem ja alle diese Vorgänge um dieser gemeinsamen
Seite willen in die Klasse der in der Dunkelheit sich abspielenden
und als solche gekennzeichneten eingeordnet sind. Dadurch wird
dann auch an den Fällen, die vom Gesetzgeber bzw. dem Gesetz
1 S. zu den beredeten Beziehungen zwischen Gleichheit und Identität
auch noch Carnap, Logistik, 1929, § 7a; v. Aster, a. a. O., S. 76 ff., 197 f.;
Erdmann, Logik, 3. Aufl. 1923, § 206, S. 230/31; Drews, Lehrb. der Logik,
1928, S. 145/46.
 
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