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Engisch, Karl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 1. Abhandlung): Logische Studien zur Gesetzesanwendung — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42461#0108
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98

Karl Engisch:

möglichkeit eine bessere Lösung des Notstandes bedeutete als die
wirklich gewählte. Ob der von A gemietete Raum eine Wasser-
leitung hat oder nicht, ist Tatfrage, ob dagegen dieser Mangel der
Mietsache i. S. des § 537 BGB. die Tauglichkeit zum vertrags-
mäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert, ist Rechtsfrage (Beispiel
von Manigk). Auch was sich jemand bei einer Äußerung oder einer
Tat gedacht hat, kann als Tatsache feststehen, während es dann
Rechtsfrage ist, ob die Äußerung in diesem Sinne eine Beleidigung
darstellt, eine Handlung mit solchen Vorstellungen und Gefühlen
eine „vorsätzliche“ Handlung bedeutet.
Sehr bedeutsam scheinen mir hier die bisher von Juristen noch
nicht beachteten Ausführungen von von Kries in seiner „Logik“
(S. 568ff.) zu sein: Wir werden „bei jeder Realfrage . . . versuchen
müssen, auf Begriffe zurückzugreifen, die insoweit präzise sind, daß
die ihnen anhaftende Unbestimmtheit für die Bejahung oder Ver-
neinung der Frage nicht in Betracht kommt“ (S. 573). Für die
Trennung der Real- und der Subsumtionsfrage „ist es erforderlich,
die Realfrage in Begriffen von solcher Präzision zu formulieren, daß
wir eine Unentscheidbarkeit der Frage wegen der den Begriffen an-
haftenden Unbestimmtheit nicht zu befürchten haben“ (S. 577).
Über die Reduktion der gesetzlichen Begriffe auf einigermaßen
scharfe natürliche Realbegriffe denkt dann allerdings von Kries
sehr skeptisch (S. 580ff.). Es ist aber zu beachten, daß in der
Rechtspraxis die Anforderungen an „Exaktheit“ von vornherein
viel geringer sind als etwa bei naturwissenschaftlichen Messungen,
hinter „Exaktheit“ kann in unserem Zusammenhang nur eine prak-
tische Genauigkeit verstanden werden, wie sie im Leben gefordert
wird. Nur ganz ausnahmsweise wird es hier auf haargenaue Fest-
stellungen ankommen.
ln der Rechtswissenschaft selbst spielt von der Scheidung von
Tat- und Rechtsfrage bei der Revision abgesehen das Verfahren
der „Auflösung in konstituierende Merkmale“ heute noch eine ge-
wisse Rolle beim Subsumtionsirrtum im Strafrecht1. Es hat aber
1 Vgl. dazu etwa von Hippel, Vergleichende Darstellung des deutschen
und ausländischen Strafrechts, Allg. Teil III, 1908, S. 562; Deutsches Straf-
recht II, 1930, S. 332; Frank, Kommentar zum StGB., 18. Auflage 1931, II zu
§ 59, S. 184 und die dort Angeführten. Wenn ich mich nicht täusche, kommt
auch die mehrfach so genannte Einschaltung von „Mittelgliedern“ zwischen
konkretem Sachverhalt und rechtlichem Obersatz auf die Auflösung in kon-
stituierende Merkmale bzw. auf die Reduktion der Rechtsbegriffe auf natür-
liche Begriffe hinaus. Siehe dazu etwa Mezger, a.a.O., S. 166ff., S. 178/79.
 
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