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Nikolaus [Hrsg.]; Hürten, Heinz [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 2. Abhandlung): Brixener Dokumente , 5: Akten zur Reform des Bistums Brixen — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42462#0048
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46 H. Hürten, Cusanus-Texte V. Brixener Dokumente • Erste Sammlung
Weit verbreitetem deutschen Brauch entsprechend hat Nikolaus den
Brautsegen des römischen Formulars aus seiner ursprünglichen Stelle nach
dem Paternoster in der Messe herausgelöst und an das Ende der Messe
versetzt, so daß jetzt das Schlußevangelium, das aus dem den Brautleuten
auf das Haupt gelegten Buch verlesen wird, geradezu wie der Anfang
einer eigenen liturgischen Handlung wirkt.13 Der ohne Oration unmittel-
bar an das Initium evangelii secundum Iohannem anschließende Braut-
segen hat in unserm Text eine weitgehende Umgestaltung erfahren. Auch
hier folgte er einer vielfach geübten außerrömischen Praxis, die den prie-
sterlichen Segen nicht nur der Braut, sondern auch dem Bräutigam zu-
kommen lassen wollte und daher Gebete für beide Brautleute und ihr
zeitliches und ewiges Heil in den Brautsegen einschob. Wo sich im Sacra-
mentarium Gregorianum nach dem einleitenden Hochgebet die Bitte um
Segen für die Braut anschließt, wird in unserem Stück über beide, Braut
und Bräutigam, ein gemeinsames Gebet gesprochen und mit der üblichen
Konklusion geschlossen. Die darin enthaltenen Bitten „semina semen vite
eterne in mentibus eorum“ und „in nomine tuo vivant et senescant et multi-
plicentur in longitudinem dierum“ treten einzeln an verschiedenen Stellen
in einer ganzen Reihe von mittelalterlichen Ritualien auf. In diesem Zu-
sammenhang sollen sie sich in einem Passauer Rituale von 1514 finden.14
Nach der erneuten Anrufung „omnipotens, sempiterne deus“ beginnt dann
ein weiteres Gebet, das den Text des Brautsegens aus dem Sacramentarium
Gregorianum genau an der Stelle aufnimmt, wo er durch den Einschub des
Gebetes für Braut und Bräutigam unterbrochen ist. So sind aus dem ein-
heitlichen Brautsegen zwei Orationen geworden, die eine für das Braut-
paar gemeinsam,15 die andere für die Braut allein. Das Sacerdotale Brixi-

13 Vgl. Dold S. 99 und 101 f.
14 Binder bringt S. 63 die betr. Stelle auf deutsch, so daß ein genauer Vergleich
nicht möglidi ist: „senke den Samen des ewigen Lebens in ihre Herzen, daß sie in
deinem Namen leben und alt werden und sich mehren in der Fülle der Zeit.“ Die
von Binder als Quelle angegebene „Agenda secundum usum ecclesie Pataviensis“
von 1514 findet sich nicht in seinem Quellenverzeichnis (S. IV). Nach A. Franz, Die
Geschichte der gedruckten Passauer Ritualien, in: Theol.-Praktische Monatsschrift
9. Jg. 1899 S. 181 ff. sind im Jahre 1514 nur Neudrucke der Agenden von 1490 und
1498 erschienen.
15 Im Obsequiale von ca. 1494, wo das Formular noch im Rahmen der Ein-
führungsverordnung (unsere Nr. I) steht, ist der erste Teil des Brautsegens, der
auch hier beiden Brautleuten gemeinsam gilt, noch weiter aufgesplittert. Jede der
dreimaligen Anrufungen „deus, qui ... (bzw. per quem)“ ist durch rote Initiale
und Alinea hervorgehoben; die erste Anrufung „deus . . . disiungi“ wird völlig
sinnwidrig als „Oratio“ bezeichnet und mit einer Konklusion geschlossen. Auch die
beiden folgenden Abschnitte sind durch eine gemeinsame Rubrik als Oration be-
zeichnet. Das Verständnis für den hochgebetlichen Charakter des Brautsegens war
offenbar geschwunden.
 
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