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Nikolaus [Hrsg.]; Hürten, Heinz [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1960, 2. Abhandlung): Brixener Dokumente , 5: Akten zur Reform des Bistums Brixen — Heidelberg, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.42462#0066
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64 H. Hürten, Cusanus-Texte V. Brixener Dokumente • Erste Sammlung
wiesenen Bezirken zu visitieren, an Ort und Stelle Mißstände hinsichtlich
der Verwaltung des Kirchengutes zu beseitigen, das Visitationsergebnis
schriftlich niederzulegen und auf der nächsten Diözesansynode zu berichten.
Ein solches Verfahren hätte sich mit regelmäßig wiederkehrenden Visita-
tionen des Bischofs und seiner speziellen Beauftragten wie in Brixen oder
Albeins nicht vereinbaren lassen, vielmehr zu einer dauernden Überschnei-
dung der Visitationen der Kommissare und des Bischofs geführt und die
visitierten Pfarreien überlastet. Wenn nun im Jahre 1455 die Kapitel mit
ihren Inquisitionen und den Visitationen ihrer Präsidenten nicht urgiert
werden, der Kardinal aber gleichzeitig persönlich oder durch eigens Be-
auftragte in seinem Namen visitieren läßt, darf man wohl annehmen, daß
er in diesem Jahre die Visitation der Diözese sich selbst vorbehielt, ohne
für die Dauer auf die ständige Kontrolle der Kleriker und der seelsorg-
lichen Zustände durch die Kapitel und ihre Präsidenten zu verzichten. Der
Schlußsatz der Verfügungen für Albeins, der die Nichtachtung der getrof-
fenen Vorschriften mit der Bestrafung durch die nächste Visitation oder
Synode bedroht, scheint anzudeuten, daß keine der beiden Institutionen
zum alleinigen Instrument der bischöflichen Aufsicht bestimmt war.

Der erste und stärkste Eindruck, den der Leser unserer Stücke von der
Persönlichkeit des Kardinals und seiner Tätigkeit in Brixen empfängt, ist
der einer großen und strengen Härte, die auf strikte Einhaltung des vom
Gesetz Geforderten bedacht ist. Die Zehntforderung des kanonischen Ge-
setzes wird ohne Abstriche und mit eindrucksvollem Pathos vorgetragen.
Die Aussegnung der unehelichen Mütter vor ihrer Bußleistung ist „incon-
veniens et iuri contrarium“; sie wird abgeschafft. Im Festkalender wird
die für die Praxis unerhebliche Unterscheidung getroffen, ob die Feier
eines Festes vom geschriebenen Recht gefordert wird oder nur einem all-
gemeinen Brauch von Klerus und Volk entspricht. Befremdlich wirkt auch
auf uns Heutige die häufige Androhung kirchlicher Strafen bis zur Ex-
kommunikation, wie sie uns in den Verfügungen für Albeins begegnet.
Mochte dergleichen zu seiner Zeit allgemein üblich und gar erforderlich
sein, so passen diese Züge zu der übergroßen Strenge, die uns im Bilde
des Kusaners auch sonst entgegentritt. Doch ist diese Strenge kein Rigo-
rismus um jeden Preis. Deutlich zeigt sich in seinen Forderungen das
Bemühen, nicht zu weit zu gehen. Die abergläubischen Feste und Bräuche
werden zwar unnachsichtig verboten, aber der Kardinal versäumt nicht,
gleichzeitig zu versichern, daß andere Prozessionen und Bittgänge erlaubt
sind, wenn sie nur in der rechten Weise begangen werden. Den Bittgang,
den er an die Stelle des von ihm verbotenen zur Konstantinskapelle bei
Völs setzte, hat er sogar mit Ablässen ausgestattet. Auch fehlen dem Bild
des Kardinals nicht menschlich warme Züge. Bei der Feier der Eheschlie-
 
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