Erläuterungen zu Nr. II
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cretum Gratiani zu finden, ohne daß der gelehrte Kardinal seine Quelle
anzugeben für notwendig befunden hätte. Der einzige Hinweis „iuxta
Malachiam prophetam“ führt irre, denn nicht Malachias wird an dieser
Stelle zitiert (lediglich die drei Worte „penuria maledicti estis“ finden sich
auch Mal. 3, 9), sondern zwei Kapitel aus dem Dekret Gratians. Da der
ganze Text mit Zitaten durchsetzt ist, wirkt der Stil holperig. Trotzdem
erscheint das Stück wuchtig und eindrucksvoll und, wenn man sich durch
die Hervorhebung der Zitate nicht beirren läßt, wie aus einem Guß. Niko-
laus hat nämlich sein Stück nicht einfach aus dem Dekret Gratians abge-
schrieben, sondern die ihm zusagenden Stellen aus ihrem Zusammenhang
gelöst und in der Reihenfolge umgestellt. So steht das mit „Si quando“
beginnende Zitat bei Gratian hinter dem in unserm Text erst an zweiter
Stelle auftretenden, das mit „Quia vero“ anfängt. Durch diese Umstellung
gewann der Text einen Auftakt, der seinen Eindruck auf die Leser oder
Hörer nicht verfehlt haben dürfte. Nikolaus hat zudem seine Zitate noch
mit eigenen Zutaten versehen und dadurch die Tendenz seiner Ausfüh-
rungen verstärkt. An zwei Stellen hat er die in einem Augustinuszitat
auftretende Verheißung „fructuum habundancia et corporum sanitas“ für
pünktliche Erfüllung der Zehntpflicht in andere Zitate eingeschoben, um
sie noch eindringlicher vor Augen zu führen.
Dieser Erlaß, der zugleich den Geistlichen befahl, dem Kirchenvolk die
Zehntpflicht einzuschärfen, mochte mit seiner Zusammenstellung wirksamer
und autoritativer Texte auch einer Predigt über die Zehntpflicht als Glie-
derung dienen. Wie weit eine solche Nebenwirkung angestrebt oder gar
erreicht wurde, läßt sich naturgemäß nicht feststellen. Es fällt jedoch auf,
daß der Erlaß über die Zahlung des Kathedratikums (Nr. III), der sich
ausschließlich an die Geistlichen wendet, auf die Zitation von Autoritäten
verzichtet und nur das gute Recht und die alte Gewohnheit der Erhebung
dieser Steuer betont.
Dem Heutigen wird die nachgerade alttestamentarische Strenge der
Zehntforderung auffallen, die auch für Jahre der Mißernte keine Milde-
rung kennt, und die Härte des Tons, in der sie vorgetragen wird. Nikolaus
hat diese Rigorosität aus dem geltenden Kirchenrecht übernommen, die
Verve seines Textes beweist jedoch, daß er sie auch innerlich bejahte. Es
scheint kein blinder Zufall gewesen zu sein, der uns die Zehntforderung
des Kardinals erhalten hat. Der Verwaltung des Kirchengutes hat er stets
besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Schon auf seiner ersten Synode hat
er allen, die den Novalzehnten nicht in voller Höhe zahlen wollten, das
Personalinterdikt angedroht. Zwei Jahre später befahl er sogar allen
Seelsorgern und Beichtvätern, jeden Hausvater nach seiner Zehntleistung
zu befragen und anhand ihrer Angaben ein Register über die Zahler und
Empfänger aller Zehntleistungen an die bischöfliche Kurie zu senden. Auch
in seinen Verfügungen für Albeins (Nr. V) widmet er diesem Punkt seine
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cretum Gratiani zu finden, ohne daß der gelehrte Kardinal seine Quelle
anzugeben für notwendig befunden hätte. Der einzige Hinweis „iuxta
Malachiam prophetam“ führt irre, denn nicht Malachias wird an dieser
Stelle zitiert (lediglich die drei Worte „penuria maledicti estis“ finden sich
auch Mal. 3, 9), sondern zwei Kapitel aus dem Dekret Gratians. Da der
ganze Text mit Zitaten durchsetzt ist, wirkt der Stil holperig. Trotzdem
erscheint das Stück wuchtig und eindrucksvoll und, wenn man sich durch
die Hervorhebung der Zitate nicht beirren läßt, wie aus einem Guß. Niko-
laus hat nämlich sein Stück nicht einfach aus dem Dekret Gratians abge-
schrieben, sondern die ihm zusagenden Stellen aus ihrem Zusammenhang
gelöst und in der Reihenfolge umgestellt. So steht das mit „Si quando“
beginnende Zitat bei Gratian hinter dem in unserm Text erst an zweiter
Stelle auftretenden, das mit „Quia vero“ anfängt. Durch diese Umstellung
gewann der Text einen Auftakt, der seinen Eindruck auf die Leser oder
Hörer nicht verfehlt haben dürfte. Nikolaus hat zudem seine Zitate noch
mit eigenen Zutaten versehen und dadurch die Tendenz seiner Ausfüh-
rungen verstärkt. An zwei Stellen hat er die in einem Augustinuszitat
auftretende Verheißung „fructuum habundancia et corporum sanitas“ für
pünktliche Erfüllung der Zehntpflicht in andere Zitate eingeschoben, um
sie noch eindringlicher vor Augen zu führen.
Dieser Erlaß, der zugleich den Geistlichen befahl, dem Kirchenvolk die
Zehntpflicht einzuschärfen, mochte mit seiner Zusammenstellung wirksamer
und autoritativer Texte auch einer Predigt über die Zehntpflicht als Glie-
derung dienen. Wie weit eine solche Nebenwirkung angestrebt oder gar
erreicht wurde, läßt sich naturgemäß nicht feststellen. Es fällt jedoch auf,
daß der Erlaß über die Zahlung des Kathedratikums (Nr. III), der sich
ausschließlich an die Geistlichen wendet, auf die Zitation von Autoritäten
verzichtet und nur das gute Recht und die alte Gewohnheit der Erhebung
dieser Steuer betont.
Dem Heutigen wird die nachgerade alttestamentarische Strenge der
Zehntforderung auffallen, die auch für Jahre der Mißernte keine Milde-
rung kennt, und die Härte des Tons, in der sie vorgetragen wird. Nikolaus
hat diese Rigorosität aus dem geltenden Kirchenrecht übernommen, die
Verve seines Textes beweist jedoch, daß er sie auch innerlich bejahte. Es
scheint kein blinder Zufall gewesen zu sein, der uns die Zehntforderung
des Kardinals erhalten hat. Der Verwaltung des Kirchengutes hat er stets
besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Schon auf seiner ersten Synode hat
er allen, die den Novalzehnten nicht in voller Höhe zahlen wollten, das
Personalinterdikt angedroht. Zwei Jahre später befahl er sogar allen
Seelsorgern und Beichtvätern, jeden Hausvater nach seiner Zehntleistung
zu befragen und anhand ihrer Angaben ein Register über die Zahler und
Empfänger aller Zehntleistungen an die bischöfliche Kurie zu senden. Auch
in seinen Verfügungen für Albeins (Nr. V) widmet er diesem Punkt seine